ARD/ZDF-Kopierschutz: Großes Erstaunen in der Branche

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ARD/ZDF-Kopierschutz: Großes Erstaunen in der Branche, Teil 6

Herbert Behrens (Die Linke)

Originalinterview:  Herbert Behrens (Die Linke), Mitglied des Bundestages

 
Sind Ihnen entsprechende Planungen von ARD und ZDF und die Durchführung konkreter technischer Tests seitens der IRT bekannt?
Im Bundestag und deren Gremien haben Planungen zu Nutzungsrestriktionen seitens der ARD und des ZDF bislang keine Rolle gespielt. Über konkrete Test des Instituts für Rundfunktechnik  (IRT) in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist mir nichts bekannt.
 

Unterstützen Sie die Einführung von Kopierschutzmaßnahmen seitens ARD  und ZDF?
Diese Frage kann ich mit einem klaren „Nein“ beantworten! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland hat einen grundgesetzlichen Auftrag. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird zu 80 Prozent aus den Gebühren der Bürgerinnen und Bürger bezahlt, nicht der Staat finanziert die Programme. Auch nicht der Staat, sondern dessen gesellschaftliche und politische Gruppen nehmen die Aufsichtsfunktion in den Leitungsgremien wahr, sondern die HörerInnen und ZuschauerInnen, die dadurch Programme ohne Einfluss von Politik und Wirtschaft sicherstellen.

Durch Nutzungsrestriktionen für frei empfangbare Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunk­anstalten kann sich aus den vorgenannten Gründen ein Konflikt ergeben mit dem geforderten Beitrag zur – auch im Sinne einer „ungehindert zugänglichen“ – freien individuellen und öffentlichen Meinungs­bildung und Meinungsvielfalt.

Kopierschutzmaßnahmen sind auch immer mit Problemen für NutzerInnen verbunden und helfen wenig – die Kopierschutzmaßnahmen bei Musik-CDs, aber auch die Maßnahmen bei Blue-Ray Disks haben dies gezeigt. Als ich mir vor einiger Zeit einen Film auf Blue Ray auf meinem Laptop ansehen wollte, sollte ich meinen Laptop mit dem Internet verbinden um die neuesten Updates für den Kopierschutz herunterzuladen. Da ich im Zug keine Internetverbindung hatte, konnte ich den Film nicht ansehen. Als der Kopierschutz bei Musik-CDs neu war, haben viele CD-Player die CDs nicht abspielen können. Bei eBooks sorgt DRM dafür, dass nicht jedes Endgerät unterstützt wird – damit wird der Nutzer nicht nur an eine Plattform gebunden, er büßt auch viele der Möglichkeiten ein, die ihm die digitalen Werke bieten. Diese Liste ließe sich fortsetzen.
 

Wäre mit einer Einführung von CPCM Receivern Ihrer Ansicht nach ARD und ZDF Plattformen, die, ähnlich anderer Plattformen wie Sky, Kabel Deutschland etc., reguliert werden müssten?
Ein Digitales Rechte Management schränkt immer die Freiräume der NutzerInnen ein, die das Urheberrechtgesetz ihnen gibt und auch oft die Rechte, die NutzerInnen erhalten, wenn sie zum Beispiel ein gedrucktes Buch kaufen. Von daher sollten DRM-Systeme reguliert werden.

 
Welche Forderungen haben Sie an eine Plattform von ARD und ZDF?
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben einen gesellschaftlichen Auftrag: Sie sollen Menschen umfassend und unabhängig informieren, bilden und unterhalten, das schließt auch die Übertragung von Fußballspielen und die Ausstrahlung von Hollywood-Filmen ein. Die Ausstrahlung muss also so erfolgen, dass Menschen nicht durch technische Einschränkungen von der Berichterstattung ausgeschlossen werden. Unabhängig von der Auflösung des Programms.
 
 
Nach Meinung der EBU ist für sicheren CPCM Betrieb ein neuer Receiver nötig. Wie wird im Sinne des Vebrauchers sichergestellt, dass dieser Receiver nicht zusätzlich neben den bereits im Haushalt vorhandenen Geräten betrieben werden muss. Werden Sie sich für einen kompatible Lösung zwischen CPCM von ARD und ZDF und anderen DRM Systemen privater Plattformen in Deutschlan einsetzen?
DRM-Maßnahmen sind immer eine Belastung für den Verbraucher. Das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss sicherstellen, dass alle GerätebesitzerInnen die Möglichkeit behalten, sich zu informieren. Das schließt aus, sich erst teure Geräte dafür anschaffen zu müssen. Zu berücksichtigen ist auch, dass BewohnerInnen von Wohnanlagen vor besonderen Problemen stehen. (Siehe dazu auch eine gemeinsame Stellungnahme von Mieterbund, Verbraucherzentrale Bundesverband und Verband der Wohnungswirtschaft)
 
 
Warum kann es nicht einen Receiver für alles geben?
Leider konnten sich die Medienanbieter noch nicht auf einen einzigen Standard einigen, das geht besonders zu Lasten der NutzerInnen – dabei stellt sich die Frage, wie sinnvoll DRM-Systeme überhaupt sind. Für mich steckt häufig ein Placebo-Affekt dahinter: Die letzte Fußballweltmeisterschaft konnte über das Internet auf Seiten chinesischer Fernsehsender angeschaut werden. Bei Musik aus dem Internet haben viele Onlineshops bereits gelernt und bieten die Lieder als MP3s an, also ohne DRM.
 

CPCM kann nach Expertenansicht nur wirksam funktionieren, wenn alle in Deutschland bzw. der EU ausgelieferten Receiver diesen Standard integrieren. Werden Sie eine politische Initiative unterstützen, die CPCM in ganz Europa fest in die Receiverspezifikationen verankert?
Nein, DRM-Systeme gehen bis jetzt immer zu Lasten des Nutzers und es gibt keinen Beleg für ihren Nutzen. Der Forderung der Inhaber von Rechten an Spielfilmen und Sportveranstaltungen muss die Forderung nach einem freien Zugang zu diesen im öffentlich-rechtlich Rundfunk zugänglich zu machenden Angeboten entgegengehalten werden. Die Drohung der Rechteinhaber, unverschlüsselt sendenden Rundfunkanstalten bei der Vergabe von Rechten nicht mehr berücksichtigen zu wollen, halte ich für eine offene Kampfansage der Kulturindustrie an die Bürgerinnen und Bürger und deren Recht auf den freien Zugang zu Informationen.
 

Was halten Sie ganz persönlich von Kopierbeschränkungen beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen?
Über die GEZ-Gebühr und über die Abgabe auf Speichermedien und Kopiergeräte wie Rohlinge etc. gibt es bereits Ausgleichszahlungen, und ich bezweifle den Nutzen der Kopierschutzmaßnahmen. Ich sehe keine Notwendigkeit für weitere Regelungen zu Kopierbeschränkungen.
 

ARD und ZDF weisen in einer Stellungnahme gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de darauf hin, dass die Sender weiterhin Free-to-Air Sender seien, trotz ihres Bekenntnisses zu einem Kopierschutz. Sehen Sie das ebenso?
ARD und ZDF werden weiterhin öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten bleiben und den damit verbundenen Rechtsrahmen akzeptieren.
 

Welche Auswirkungen auf eine Haushaltsabgabe für ARD und ZDF hätte es, wenn die Sender mit einer CPCM Kopierschutzmaßnahme nicht mehr als Free-TV klassifiziert werden würden? Sind in diesem Fall nach wie vor alle Haushalte zur Zahlung der (gesamten) Gebühr verpflichtet?
Eine Abkehr vom Free-TV wäre ein grundlegender Wechsel zum bestehenden System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Unabhängig von dieser Fragewidersprächen sich das Gebührensystem und die Einführung des CPCM-Kopierschutzes nicht.
 
 
Sollte sich herausstellen, dass ein CPCM Kopierschutz wirkungslos ist und ARD und ZDF nach dem Vorbild der Freeview-Plattform in Großbritannien zumindest teilweise verschlüsseln müssten –   welche Auswirkungen hätte dies auf die Haushaltsabgabe. Würde diese dann nur noch für Haushalte anfallen, die eine dann ggf. notwendige Karte oder einen seitens ARD und ZDF übermittelten PIN nutzen, anfallen?
Ich glaube nicht, dass in nächster Zeit eine Verschlüsselung wie bei der Freeview-Platform in Großbritannien, eingeführt wird.
 
 
Können Sie die Argumentation der Öffentlich-Rechtlichen nachvollziehen, wonach die Einführung des CPCM-Systems aufgrund der Vorgaben der Rechteinhaber unumgänglich ist?
Bislang haben sich die Verantwortlichen nur zu der Gefahr geäußert, die ihnen die Rechteinhaber machen. Eine Entscheidung darüber, ob den Forderungen Rechteinhaber nachgegeben werden muss, muss in den Gremien getroffen werden. Dennoch lässt sich sagen, dass die Verhandlungen mit den Rechteinhabern immer schwierige Verhandlungen sind, bei denen das Ziel ist Inhalte möglichst zur Verfügung stellen zu können.
 
 
Welche Nachteile hätte CPCM aus Ihrer Sicht für den Zuschauer?
Nicht jeder wird sich neue Geräte leisten können und sollte das auch nicht müssen. Und wer sich ein Fußballspiel nicht live ansehen kann, vielleicht weil er arbeiten muss, sollte das Recht haben, das Spiel aufnehmen und später gucken zu dürfen.
 
 
Welche Alternativen zu CPCM sehen Sie? Sollten ARD und ZDF nach Vorbild des ORF eher auf eine klassische Grundverschlüsselung setzen, um auf bestehende Standards wie CI und CI-Plus zurückgreifen zu können?
Besonders das öffentlich-rechtliche Fernsehen sollte frei empfangbar sein, auch CI oder CI-Plus verlangt von vielen Fernsehzuschauern, sich neue Geräte anschaffen zu müssen. Das kann ihnen die Möglichkeit nehmen, Sendungen aufzunehmen und zeitversetzt anschauen zu können.
(Alexander Rösch)

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