ARD und ZDF planen Kopierschutz für HD, Teil 2
Free-TV mit Haken
Das hat mit Free-TV im klassischen Sinne nicht mehr viel zu tun. Gleichwohl will der ZDF-Sprecher von dem Begriff nicht ablassen: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ZDF und ARD am Grundsatz der unverschlüsselten Ausstrahlung festhalten und DRM-Systeme dieser Vorgabe gerecht werden müssen. Dem berechtigten Anliegen der Rechteinhaber zur Pirateriebekämpfung sollte in erster Linie durch eine wirksame technische Unterbindung illegaler Weiterverbreitungen über das Internet Genüge getan werden.“ Dabei übersehen die Öffentlich-Rechtlichen allerdings ein wenig blauäugig, dass CPCM für die US-amerikanische Filmindustrie, deren Vorgaben man sich im Kampf um den Einkauf attraktiver Rechtepakete mehr oder weniger sklavisch unterwirft, lediglich ein erster Schritt ist. Ted Shapiro, Europachef der Motion Picture Association of America (MPAA) als Dachverband der Industrie, bezeichnete das britische System in einer im April 2010 veröffentlichten Stellungnahme lediglich als „gute Grundlage“ und pochte auf weitere Einschränkungen.
Das aktuell auf der Insel genutzte Modell sehe etwa keine Sperren vor, um in SD-Auflösung heruntergerechnete Versionen der HD-Filme über das Internet zu verbreiten. Dass die großen Hollywood-Studios das auf Dauer nicht hinnehmen, verpackt Shapiro in einem geschickten Halbsatz. Ein Fehlen entsprechender Schutzmechanismen werde die Verfügbarkeit von HD-Inhalten im frei empfangbaren Fernsehen ebenso wie künftige Veröffentlichungsfenster „negativ beeinflussen“, schreibt der MPAAVerantwortliche. Hochwertiger Content werde Free-TV-Sendern von den Content-Lieferanten in HD eher angeboten, wenn die komplette Verwertungskette abgesichert sei.
Forderungen aus Hollywood
Deutlich machte die Lobby der großen Filmlabels außerdem, dass sie einen ausreichenden Schutz ihrer kostbaren Inhalte nur über eine abgeschottete, „robuste“ Plattform mit klar umrissenen technischen Restriktionen gewährleistet sieht. Da bestehende Anbieter wie Sky nicht auf die Distribution von Free-TV-Inhalten ausgelegt sind, müssten ARD und ZDF mit einem eigenen Projekt gegensteuern. Das Resultat wären weitere proprietäre Endgeräte, „Geeignet für“-Siegel und eine komplexe Gemengelage bei der Umsetzung der Schutzvorgaben bei sämtlichen kleinsten und mittelständischen Kabelnetzbetreibern – ein Problem, an dem sich heute schon die privaten HDTV-Sender in langwierigen Verhandlungen mit den Großen der Branche wie Kabel Deutschland und Unitymedia die Zähne ausbeißen. Für die öffentlich-rechtlichen Verantwortlichen in Deutschland ist das kein Alarmsignal. Auch betrachten sie einzurichtende Blockaden nicht als Widerspruch zum Free-TV.
Für ZDF-Sprecher Stock ist das Kriterium „frei empfangbar“ auch beim angedachten Einsatz von CPCM dadurch erfüllt, dass anders als beim Bezahlfernsehen keine Smartcards zum Einsatz kommen oder monatliche Gebühren fließen. Die von den Öffentlich- Rechtlichen jahrelang propagierte freie Endgerätewahl ist mit CPCM jedoch nicht mehr zu machen, weil nur Geräte, die die Vorgaben einhalten, für den Empfang CPCM-codierter Fernsehsendungen freigeschaltet werden. Gerade für erweiterbare Receiver auf Linux- Basis dürfte eine Freigabe ein Ding der Unmöglichkeit sein, weil hier über Netzwerk, externe Festplatten und Streaming der Umgehung der geforderten Restriktionen Tür und Tor geöffnet sind. Gegenüber DIGITAL FERNSEHEN gab sich die Motion Picture Association auf Anfrage eher zugeknöpft, wie der Verband die mögliche Einführung eines Kopierschutzsystems auf Basis von CPCM durch ARD und ZDF bewerten würde: „Wir befinden uns leider nicht in der Position, um auf diese sehr detaillierten Fragen einzugehen“, ließ Shapiro ausrichten. „Möglicherweise“ sei man in der Lage, sich bei künftigen Artikeln zu diesem Thema zu äußern.
Die European Broadcasting Union als Dachverband der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Europa, der neben ARD und ZDF auch die BBC angehört, zeigte den Rechteinhabern gegenüber DIGITAL FERNSEHEN eindeutige Grenzen auf. Den EBU-Mitgliedsanstalten werde die Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Content-Management-Systemen grundsätzlich freigestellt, sagte EBU-Vertreter Jean-Pierre Evain auf Anfrage unserer Zeitschrift. Wenn Vertragspartner solche Mechanismen vorgäben, habe man sich allerdings auf den Einsatz von CPCM verständigt, weil es „als einziges System die speziellen Bedürfnisse von Free-to-Air-Sendern“ erfülle. Allerdings gebe es mittlerweile Alternativen, die noch auf ihre Eignung überprüft werden müssen. Wichtig sei es allerdings, dass man seitens der europäischen Sendeanstalten lediglich ein „streng beschränktes Kontingent von Nutzungsbeschränkungen“ umsetze. Man lege etwa großen Wert darauf, dass die von den Filmstudios geäußerte Vorgabe, die Weiterverbreitung von Sendungen über das Internet zu unterbinden, nicht mit einem „copy never“ als generellem Kopierverbot gleichzusetzen sei.
Die EBU wies darauf hin, dass neben Hollywood zunehmend auch große Fußballverbände auf strikte Schutzmaßnahmen pochten. Noch ist es nicht so weit. „Obwohl namhafte CE-Hersteller daran mitgearbeitet haben, sind Geräte allerdings bisher nicht im Markt implementiert“, schränkt das ZDF auf Anfrage ein und spielt den Ball der Unterhaltungselektronik- Branche zu: „Hier bleibt die Endgeräteindustrie aufgerufen, entsprechende Geräte im Markt anzubieten.“ Die EBU betont allerdings, dass selbst bei einer Einführung nicht sofort bei allen Empfangsgeräten ohne CPCM der Bildschirm schwarz wird. „In einer Übergangsphase werden ältere Geräte entsprechende Sperrsignale einfach ignorieren und Benutzer können weiterhin tun, was sie schon heute tun“, versicherte Jean-Pierre Evain.
Für Zuschauer bleibt zunächst der beruhigende Gedanke, dass die Filmindustrie bereits in den USA mit der Einführung eines flächendeckenden Signalschutzes gescheitert ist. Das kontrovers diskutierte „Broadcasting Flag“, dessen Auslesen die US-Regulierungsbehörde FCC nach massivem Lobbyismus aus Hollywood flächendeckend in HDTV-tauglichen Receivern in den Vereinigten Staaten vorschreiben wollte, war im August 2005 nach starkem Sperrfeuer von Verbraucherschutzverbänden und Bürgerorganisationen kurz vor dem Inkrafttreten gerichtlich gestoppt worden.
Wie geht es weiter?
In Deutschland bleibt unterdessen der fade Beigeschmack, dass etwa ZDF-Intendant Markus Schächter noch im Oktober auf den Medientagen in München die hinsichtlich Kopierschutzvorgaben nicht zimperliche HDPlus- Plattform der Privatsender als „Dreistigkeit“ abgekanzelt hatte, während sein Sender selbst die Einführung verbraucherfeindlicher und restriktiver Copy-Management-Systeme vorantreibt. Nicht nur Schächter muss sich die Frage gefallen lassen, warum das Thema im Vorfeld der Recherchen von DIGITAL FERNSEHEN ausschließlich hinter verschlossenen Türen diskutiert wurde.