Die 3D-Welt von Fox
Die „neue“ 3D-Welle ist inzwischen ihren Kinderschuhen entstiegen. Seit dem Auslöser „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ sind immerhin schon über drei Jahre vergangen, sodass sich nun wirklich Rückschlüsse über den Erfolg des Stilmittels 3D ziehen lassen.
Mit James Camerons Meisterwerk „Avatar“ eröffnete 20th Century Fox ein neues Kapitel in der Filmgeschichte, das seitdem kontinuierlich weiter geschrieben wurde. Der Qualitätsmaßstab des Urvaters aller neuen 3D-Filme blieb dabei unangetastet, sodass er nach wie vor als Referenz in Sachen Stereoskopie gilt. Dennoch lässt sich inzwischen nicht mehr leugnen, dass das Medium 3D weitreichend bei den Filmemachern und den Rezipienten angekommen ist und dass der Markt inzwischen eine unglaubliche Vielfalt an herausragenden stereoskopischen Filmen bietet.
Ein Grossteil des Angebots kommt vom 3D-Pionier Fox selbst, die bis zum neuen „Avatar 2“ (voraussichtlich 2015) logischerweise die Flagge weit oben behalten wollen. Zu diesem Image trägt insbesondere Ang Lees fantasievolles Drama „Life Of Pi“ bei, dessen Bildgewalt selbst den größten 3D-Kritiker verstummen lassen sollte.
Die Anti-Arche
Es ist die unglaubliche Geschichte einer Arche voller Tiere und Menschen, die untergeht. Eine Geschichte über die Suche nach Gott. Und es ist die Fabel von Überlebenden eines See-Unglücks, die miteinander auskommen müssen, ohne sich gegenseitig aufzufressen – eine Metapher für die immer höhere Bevölkerungsdichte dieser Welt. Der indische Protagonist Piscine (Suraj Sharma) selbst bevorzugt die Kurzform seines Namens und benennt sich nach der Kreis-Zahl Pi. Auf einer Überfahrt nach Amerika, wo die Tiere des elterlichen Zoos verkauft werden sollen, kommt es zu einem riesigen Desaster. Ein Sturm bringt das Schiff zum Kentern und die ganze Besatzung stirbt. Die einzigen Überlebenden sind Pi, ein verletztes Zebra, eine Orang-Utan-Mutter, eine hungrige Hyäne sowie ein bengalischer Tiger, der sich unter der Plane des Rettungsbootes verbirgt.
Es kommt, wie es kommen muss und die Tiere zerfleischen sich gegenseitig. Pi erkennt dabei schnell, dass er diese Situation nur übersteht, wenn er den Tiger füttert, da dessen Hunger weiteres Morden unausweichlich machen würde. Er wahrt also Abstand, lernt fischen und entwickelt sich zu einem perfekten Überlebenskünstler … bis ihn eine weitere, überraschende Erkenntnis erwartet. Situation um Situation schweißt Mensch und Tier aneinander, sodass die wohl ungewöhnlichste Odyssee des Jahres entsteht. Das Interessanteste an der Geschichte ist ihre multidimensionale Vielschichtigkeit, mit der sie aufmerksame Zuschauer in ihren Bann zieht. So werden nicht nur permanente Parallelen zu den Tieren und den Menschen gezogen, sondern auch in der Rahmenhandlung geschehene Ereignisse auf symbolische Art und Weise erneut aufgegriffen. Hierdurch tut sich ein komplett neuer Kontext auf, der sich einzig undallein auf die Innenwelt Pis bezieht.
Das Märchen mit den Tieren kannalso gut und gerne auch auf tiefenpsychologischer Ebene interpretiertwerden (als Verarbeitung von Pis traumatischen Erlebnissen),funktioniert aber ebenso als reines Abenteuer mit großartigenSchauwerten sehr gut. Die religiöse Komponente weitgehend neutralhaltend, ist die Botschaft des Films universell und kreativ, egalwelcher Glaubensrichtung der Betrachter auch anhängen mag. Regisseur AngLee, der sich im internationalen Kino durch Filme wie z. B. „Eat DrinkMan Woman“, „Tiger & Dragon“ sowie „Brokeback Mountain“ einen Namenmachte, verfilmte Yann Martels Novelle bestmöglich, nachdem sich vor ihmschon zahlreiche andere namhafte Kollegen die Zähne daran ausgebissenhaben.
Sowohl M. Night Shyamalan („The Sixth Sense“) als auch JeanPierre Jeunet („Die fabelhafte Welt der Amélie“) waren gerüchteweise alsRegisseure im Gespräch, doch spätestens die angemessene Darstellung desTigers erwies sich wohl als zu herausfordernd. Ang Lee wiederum ließdie Effektschmiede Rhythm & Hues probeweise einencomputergenerierten 3D-Tiger erstellen, den er selber für echt haltensollte. Da sie bereits Erfahrungen in der Animation von Raubkatzen beimLöwen aus „Die Chroniken von Narnia – Der König von Narnia“ sammelnkonnten, gelang ihnen dieser schwierige Kraftakt mit Bravour. Der Tigernamens Richard Parker (ein Verweis auf Edgar Allan Poes „Der Bericht desArthur Gordon Pym“) erscheint in vielen Szenen vollkommen lebensechtund wird durch den stereoskopischen Effekt zur echten Bedrohung für denZuschauer.