3D auf dem Prüfstand
LG spielte in den letzten Wochen einen Trumpf nach dem anderen aus: Neben der Full-HD-Zertifizierung für die eigene 3D-Technik wirbt der Hersteller aktuell mit einer Studie, die die Überlegenheit des Polfilterverfahrens dokumentiert. Wir prüfen, was dahintersteckt.
Sowohl auf dem US-Markt als auch in Deutschland führte LG Tests mit 100 Versuchspersonen durch, um die Qualität der eigenen Polfiltertechnik gegenüber der konkurrierenden Shutter-Technologie zu unterstreichen. Hierzu wurden – im Falle der US-Studie – 100-Hertz-Mittelklassefernseher von Sony und Samsung mit einem gleichwertigen Modell von LG verglichen.
Das Ergebnis: Rund 80 Prozent der Befragten bevorzugten das Polfilterverfahren. Was für den Laien plausibel klingt, birgt bereits das erste technische Problem: Während die Trennung der Bildsignale für das linke und rechte Auge bei der Polfiltertechnik nicht maßgeblich von einem schnellen Panel abhängt, ist der fehlerfreie 3D-Eindruck mit dem Shutter-Verfahren nur gewährleistet, wenn hochwertige Technik zum Einsatz kommt. LG Deutschland wiederholte den Test deshalb mit einem 400-Hertz-LED-LCD von Samsung; das Ergebnis: Auch dieser 3D-Vergleich fiel zugunsten des eigenen Produktes aus, allerdings entschieden sich statt der 80 Prozent nur noch 65 Prozent für das Polfilterverfahren.
Zweischneidiges Marketing
Kein TV-Hersteller würde behaupten, dass eine Auflösung von zweiMillionen Bildpunkten pure Vergeudung ist. Aufseiten der 3D-Darstellungwerden die Karten nun überraschend neu gemischt, denn infolge derPolfiltertechnik halbiert sich die effektive Auflösung im 3D-Betrieb. LGgriff deshalb tief in die Trickkiste: Neben einer nicht genaudefinierten Bildberechnung im 3D-Modus wirbt der Hersteller mit der vomPrüfinstitut VDE erteilten Full-HD-Plakette für die 3D-Darstellung.
Die Begründung des VDE: Zwar erreichen das linke und das rechte Augenur 540 statt der 1 080 Bildzeilen, da beide Bildinhalte aberzeitgleichdie Augen erreichen, interpretiert das Gehirn dieseInformationen alsFull-HD-Auflösung. Was die Studie verschweigt: Beide3D-Bilder zeigenunterschiedliche Perspektiven und eine Halbierung derBildinformationenfür das linke und rechte Auge wird nicht automatischdurch diezeitgleiche Anzeige kompensiert – der Auflösungsverlustbleibt nach wievor erhalten.
Unsere internen Tests mit Polfilterfernsehern aller Herstellerbestätigen, dass die Bildschärfe im 2D-Betrieb besser als im 3D-Modusausfällt und die halbierte Zeilenauflösung einzig durch einen größerenSitzabstand kompensiert werden kann. Die Full-HD-Auszeichnung ist somitnur für den 2D-Modus gerechtfertigt.
Der Mythos des größeren Blickwinkels bei der Polfiltertechnikbewahrheitet sich in der Praxis ebenfalls nicht, denn vertikaleAbweichungen sowie kurze Sitzabstände sorgen für einen Einbruch des3D-Effekts, zudem ziehen angewinkelte Kopfstellungen eine Verfärbung desBildinhalts nach sich. Die Shutter-Technik bedeutet aber nichtautomatisch Full-HD-Qualität, so zeigt Samsungs Serie D6500 mangelsleistungsfähiger Bildchips ebenfalls eine deutlich verringerte Auflösungim 3D-Betrieb.
Was ist eine Studie wert?
Ein Vergleich, durchgeführt mit technisch nicht versierten Versuchspersonen, ganz gleich welcher Anzahl, ist immer auf den jeweiligen Versuchsaufbau beschränkt und bietet keine Allgemeingültigkeit. Abweichende Betrachtungsabstände, Lichteinwirkungen und Flachbild-TV- sowie Brillenmodelle können zu völlig anderen Ergebnissen führen, selbst wenn die gleichen Versuchspersonen eingesetzt werden.
Für LGs eigene Studienzwecke wurden nur Fernseher zum Vergleich herangezogen, die eine deutlich geringere Bildhelligkeit im 3D-Modus aufweisen – ein entscheidender Faktor, der die Umfrage zugunsten der Polfiltertechnik verschiebt. Gleiches gilt für die Brillen: Diese verfremden den Bildeindruck stark, weshalb eine Bildabstimmung immer in Kombination mit der Brille erfolgen muss, was bei LGs Studie allerdings nicht der Fall war. Erkennbares Bildflackern ist zudem vom Lichteinfall abhängig – in diesem Punkt hat das Polfilterverfahren aber unbestritten Vorteile.
Konkurrenz steht sich im Weg
Wer sich auf LCD-Mittelklassemodelle mit 100-Hertz-Panel konzentriert (Achtung: Herstellerangabe oft 400 Hertz trotz 100-Hertz-Panel), wird mit Polfilterfernsehern meist bessere 3D-Ergebnisse erzielen. Aufgrund der abwechselnden Bildeinblendung für das linke und rechte Auge (Shutter-Prinzip) zeigen günstige Shutter-Lösungen auffällige Doppelkonturen, auch wenn die Bewegtbildschärfe mit 100-Hertz-Modellen durch die eingeblendeten Schwarzphasen der Brille hervorragend ausfällt.
Doch selbst wenn der Fernseher zur Höchstleistung getrieben wird: Die Bildhelligkeit fällt bei vielen Shutter-Displays nur bedingt überzeugend aus; mittlerweile sind aber mindestens drei Modelle erhältlich, die der Polfiltertechnik in diesem Bereich das Wasser reichen können (siehe Tabelle). Auch die Synchronisation mit der 3D-Shutter-Brille birgt Fehlerquellen und nicht selten machen akkubetriebene Shutter-Brillen durch Nebengeräusche auf sich aufmerksam und sind nur zu bestimmten TV-Modellen kompatibel.
LGs Studie ist somit kein Beweis der eigenen technischen Überlegenheit, stellt einen Sachverhalt aber anschaulich dar: Wer heute blind zu einem 3D-Fernseher greift, hat dank der Polfiltertechnik eine große Chance, am Ende zufrieden in den 3D-Welten zu schwelgen. Wer hingegen den Betrachtungsabstand nicht zu groß wählt, erreicht mit dem Shutter-Verfahren die bessere HD-Qualität.