Youtube zieht in den Konzertsaal: Mit einem neuen Konzept gelingt es auch, ein junges Publikum zu klassischer Musik zu bewegen, in dem man die Youtube-Stars auf die Bühne stellt.
Mark steht mit zwei gleichaltrigen Freunden in der Pause eines Konzerts der Düsseldorfer Symphoniker. Eigentlich habe er immer gedacht, klassische Musik sei langweilig, erzählt er. „Aber wenn man richtig zuhört, macht es auch Spaß.“ Mark und seine Freunde haben eben ein Selfie mit einem Solisten des Abends gemacht. Sie sind drei von Hunderten unter 20, die es am Mittwochabend in die Düsseldorfer Tonhalle verschlagen hat.
So viele junge Konzertbesucher auf einmal sind trotz aller Bemühungen großer Konzerthäuser längst nicht der Normalfall. Die Tonhalle scheint dieses Problem allerdings im Griff zu haben, seit sie dreimal im Jahr Youtube-Prominente auf ihre Bühne einlädt – damit sie zusammen mit Orchester und Solisten konzertieren.
Am Mittwoch waren das Jannik Brunke und André Roszewicz, gemeinsam mit dem Orchester und dem Cello-Solisten Valentino Worlitzsch. Brunke (19) und Roszewicz (26) sind auf der Video-Webseite Youtube dafür bekannt, dass sie Videos mit ihren eigenen Versionen aktueller Popsongs hochladen. Sie tun das als Ein-Mann-Bands, das heißt sie spielen alle Instrumental- und Gesangsspuren selbst ein.
An diesem Abend spielen sie, von sich selbst begleitet, je einen selbst geschriebenen Song, und am Ende mit Orchester- und Cellobegleitung „Cello“ von Udo Lindenberg. Dirigent Jesko Sirvend zeigt, wie klassische Musik gecovert wurde. So sind Bachs Orgelwerk Fuge in G-Moll (BWV 578) und anschließend Leopold Stokowski Orchesterbearbeitung zu hören.
Die Generation, die mit Youtube-Videos aufgewachsen ist, höre anders Musik, verdeutlichten Youtuber am Rande des Konzerts. Anders als noch damals bei MTV seien die jüngeren Musiker ihre eigenen Video-Jockeys, erklärt André Roszewicz. Jannik Brunke ergänzt, diese Generation höre die Musik nicht nur: „Ich würde sagen, die sehen Musik.“ Optik ist wichtig.
Die „#Ignition“-Abende der Düsseldorfer Tonhalle schmiegen sich diesem Zielgruppenverständnis sichtlich an. Mit sechs Kameras und Regisseur (Lutz von Sicherer) holt ein mehrköpfiges Team die Solisten, die Orchesternoten und die Schweißperlen auf der Nase des Cellisten sehr dicht heran. Auf der großen Leinwand hinter dem Orchester sind schemenhafte Tänzer in poppigen Farben oder Don Quixotes Kampf gegen Windmühlen zu sehen. Zum Finale der Star-Wars-Suite wird Darth-Vader optisch von zwei Tuben in die Zange genommen.
Youtuber im Konzertsaal – „Ich war, ehrlich gesagt, erst ein bisschen skeptisch“, sagt die 27-jährige Mahta. „Aber ich bin äußerst positiv überrascht und muss die beiden erst mal bei Facebook liken.“
Offenbar ist nicht nur Mahta von der „#Ignition“-Idee überzeugt. Eine Tonhallen-Sprecherin sagt, die Konzerte der Reihe seien regelmäßig gut gefüllt bis ausverkauft. Im vergangenen Oktober bekam das Format den Titel „Europäische Trendmarke des Jahres“ des Kulturmarken-Awards, der für cleveres Marketing im Kulturbereich verliehen wird. [Fabian May/kw]
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