Facebook verbindet Milliarden Menschen miteinander. Mit Geräten für Videotelefonie und Virtueller Realität will der Konzern seine Mitglieder noch tiefer in Kontakt bringen. Soll das die persönliche Interaktion ersetzen?
Andrew „Boz“ Bosworths Avatar hat eine Gummigiraffe in der Hand, schlägt in Richtung des Tennisballs – und verfehlt ihn. Der Mann mit Glatze und tätowierten Unterarmen ist Vizepräsident bei Facebook für Virtuelle (VR) und Erweiterte Realität (AR). Er ist seit 2006 bei Facebook und gehört zum engen Kreis um Gründer Mark Zuckerberg. Das etwas alberne Tennisspiel für das VR-Headset Oculus Quest soll verdeutlichen, wie Interaktionen zwischen Menschen in einer Digitalen Welt ablaufen können.
Denn das ist, was sich Facebook nach Aussage Bosworths mit VR und AR auf die Fahnen geschrieben hat: Die persönlichen Verbindungen zwischen Menschen zu vertiefen. „Facebook hatte recht großen Erfolg damit, Leute über das Internet und Smartphones in großer Breite zu verbinden“, sagt er. „Aber wir sehen auch einen großen Appetit darauf, eine tiefere Verbundenheit herzustellen.“
Das erkenne man an der starken Nutzung von Videotelefonie über den Facebook Messenger und Whatsapp. Und weil man das nicht mit der heutigen Technik verbessern könne, habe sich das Unternehmen entschlossen, eigene Hardware zu bauen. Die wurde am Montag vorgestellt: Die neuen Videotelefonie-Geräte namens Portal und Portal+ sollen zunächst nur auf dem US-Markt erscheinen. Die Geräte, die eine Kombination aus Bildschirm, Webcam und smartem Lautsprecher darstellen, verfolgen automatisch Personen im Blickfeld der Kamera und zoomen eigenständig auf deren Gesichter.
Doch auch VR-Geräte wie die vor kurzem angekündigte Brille Oculus Quest will Faceook nutzen, um räumlich voneinander getrennte Menschen besser zu verbinden. Zwar gebe es da noch Probleme mit der Ausdrucksfähigkeit. „Aber man bekommt deutlich mehr Interaktivität“, sagt Bosworth.
Ein Beispiel aus Bosworths Arbeitswelt: „Bei Facebook bekommt man nie einen Konferenzraum. Und wenn, ist er viel zu groß oder viel zu klein. Man setzt ein paar Notizen auf das Whiteboard. Dann kommt jemand anders in den Raum, deswegen machst du ein Foto von den Notizen, das du nie wieder anschaust.“
Eine Lösung könnten hier aus seiner Sicht virtuelle Konferenzräume sein, die an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden können und sich nur durch eigenen Einfluss verändern. „Das ist dann tatsächlich besser als die echte Welt, zumindest ein bisschen“, sagt Bosworth. „Nur bei den Interaktionen ist es noch nicht besser.“ Die Avatare sähen anders aus und hörten sich anders an. Auch die Umsetzung von Mimik sei noch ein Problem. „Aber die Technologie liegt am Horizont.“ Bei der Mimik forsche man beispielsweise an Sensoren, die auf das Gesicht gerichtet sind. Außerdem lasse sich auch die Stimmlage in eine gewisse Mimik umsetzen.
Cisco arbeitet beispielsweise mit Spark VR an genau solchen virtuellen Konferenzräumen. Das Programm befindet sich aktuell noch in der Betaversion. Und auch Microsoft hat den Sinn eines sozialen Netzwerks in VR erkannt: Im vergangenen Jahr kaufte es AltspaceVR. Darin können sich Besitzer unterschiedlicher VR-Brillen treffen und miteinander interagieren. Zusammen mit dem US-Sender NBC veranstaltete die Firma beispielsweise auch eine virtuelle Party zum TV-Duell der beiden US-Präsidentschaftskandidaten im Jahr 2016.
Doch die bahnbrechende Software-Anwendung für VR bleibt bisher aus. Die Verkaufszahlen von VR-Geräten bleiben hinter den Erwartungen zurück. Als erster Markt wurden vor allem Videospieler gesehen, für die etwa die kabelgebundenen Produkte Oculus Rift, HTC Vive und Playstation VR entwickelt wurden.
Berechnungen der Marktforscher von IDC zufolge gab es bei VR-Headsets im zweiten Quartal 2018 im Jahresvergleich einen Absatzrückgang von gut 33 Prozent. Vor allem der Absatz der Brillen, für die man zusätzlich ein Smartphone benötigt, ging um mehr als die Hälfte zurück. Allerdings: Das sei IDC zufolge nur ein temporärer Einbruch.
Am Ende gewinnt Bosworth das virtuelle Tennismatch – trotz Gummigiraffe. Sein Avatar reist die Arme zum Jubel in die Luft. „Wir werden persönliche Treffen niemals ersetzen können und wir planen auch nicht, das zu tun“, sagt er. Aber virtuelle Interaktion könne Zeit und Geld sparen – etwa weil die Kosten für Pendeln und Reisen entfallen. Nur einen Teil der persönlichen Interaktion im Virtuellen herstellen zu können, habe deshalb schon einen enormen Wert.
[Benedikt Wenck]
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