Die sogenannten Wearables scheinen vor dem großen Durchbruch: Immer mehr tragbare Minicomputer schwemmen in Form von Armbändern, Uhren oder Brillen auf den Markt. Die Indstrie erwartet ein Milliarden-Geschäft, Deutschlands Ärzte warnen.
Sie überwachen Blutdruck- und Zuckerwerte, Kalorien-Aufnahme und -Verbrauch, die Bewegung im Schlaf oder Muskelaktivitäten am Tag: eng am Körper tragbare Minicomputer. Die sogenannten Wearable Devices, kurz Wearables, stehen wohl vor dem Durchbruch auch in Deutschland. Bereits 17 Prozent der Bundesbürger besitzen einen oder mehrere dieser Helfer. Das zeigt eine Studie im Auftrag der Wirtschaftsberatungsgesellschaft PwC, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. PwC schwärmt, dass die Geräte „viele Vorteile des Internets direkt an den Körper bringen“. Nicht alle teilen diesen Enthusiasmus.
Wearables bieten am Körper getragene Internetzugänge – Beispiele: Smartwatches oder Google Glass. Selbst als Schmuckstücke gibt es sie. Bei PwC hält man die kleinen Helfer nicht nur im Privatbereich für gut – sie könnten auch im Beruf ein Stück weit mehr Gesundheitsschutz bringen. „Wearables machen das Arbeiten effektiver und sicherer“, sagt der PwC-Technologie-Experte Werner Ballhaus. Mit einer Datenbrille werde etwa freihändiges Arbeiten selbstverständlich – wichtig etwa für Such- und Rettungsteams, für Lagerarbeiter oder Konstrukteure.
Es gibt auch intelligente Textilien, Kleidung mit Sensoren im Stoff. So misst ein neues T-Shirt dauerhaft Körpersignale und überträgt die Daten etwa an ein Tablet. Atemfrequenz und Herzaktivität sind so erfassbar. PwC-Mann Ballhaus macht auf einen möglichen Vorteil solcher Kleider auch im Job aufmerksam: „Vernetzte Funktionskleidung verspricht besseren Schutz für Berufsgruppen wie Feuerwehrleute.“
Was ist von Fitness-Funktionen und Uhren mit Mehrwert im Gesundheitsbereich zu halten? Möglicher Nutzen liegt auf der Hand: Viele Patienten vergessen etwa, wann sie ihre Medizin einnehmen sollen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) versucht bereits, mit einem eHealth-Gesetz zur elektronischen Gesundheitskarte solche Medikamentierungsprobleme insbesondere bei älteren Menschen besser in den Griff zu bekommen.
Und auch ein fordernder Signalton in dem Moment, wenn das Joggen ansteht, könnte der gesundheitlichen Vorsorge gute Dienste erweisen. Der größte Vorteil von Wearables ist denn auch für zwei Drittel der Befragten in der PwC-Studie der Beitrag zur Gesundheitsvorsorge.
Jeder Vierte wäre demnach bereit, für ein solches Gerät bis zu 300 Euro hinzublättern. Und fast drei Viertel würden immerhin noch 100 Euro dafür ausgeben. Ein Multimilliardenmarkt tut sich da weltweit auf, frohlockt die amerikanische Großbank Morgan Stanley. Experten wie der Branchenverband Bitkom rechnen mit jährlichen Wachstumsraten von über 20 Prozent. Mit Spannung wird im April die neue Apple Watch erwartet – Kosten: ab 399 Euro in der Sport-Ausführung.
Beim Kauf eines Wearables stehen drei Punkte im Mittelpunkt, ergab die PwC-Studie: ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, eine gute Bedienung – und Datensicherheit. Die Ärzte in Deutschland sind hier skeptisch. „Dem Verbraucher muss bewusst sein, dass die Daten irgendwo abgelegt und gespeichert werden“, sagt Roland Stahl, der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Die Entwicklung bei den Wearables zeigt, dass viele Menschen offenbar bereit sind, mehr oder weniger ohne Bedenken Daten weiterzugeben.“ Das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis könne durch keine App ersetzt werden.
Kritiker halten es auch für unheimlich, wenn sich Menschen auf Messungen verlassen statt aufs Körpergefühl. Und werden Krankenversicherungen Boni bald nicht mehr nach Fitness-Teilnahme laut Check-Heft vergeben, sondern nach kontinuierlich erfasstem Einsatz von Training und gesundem Essen? Werden ungebetene Dritte sehen, wie viel Bier den Blutzucker des Patienten hochgetrieben hat?
Datenschutzbestimmungen setzen solchen Szenarien Grenzen. Offen ist auch, ob künftig eher Fitness-Angebote für Gesunde im Vordergrund stehen – oder doch eher spezielle Anwendungen für Chroniker.
Bei den in der PwC-Studie Befragten hätten immerhin 5 Prozent einer Weitergabe persönlicher Daten zugestimmt. Um die 50 Prozent wären bereit, für Geld oder eine bevorzugte Arztbehandlung ihre Daten weiterzugeben. Doch ein Großteil der Befragten sieht auch Nachteile: 62 Prozent fürchten ein Eindringen in ihre Privatsphäre. 57 Prozent sehen die Anfälligkeit für Sicherheitslücken als Problem. Es könnte technologisch auch schnell möglich werden, dass der Arbeitgeber per Datenbrille sieht, was seine Mitarbeiter gerade machen. [Ruppert Mayr/fm]
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