Chinas Staatschef Xi Jinping sieht das Internet als „Schlachtfeld für ideologische Kontrolle“ und weitet die Zensur sozialer Netzwerke immer weiter aus. Doch nicht alle sind davon betroffen. Die großen Staatsmedien des Landes haben Facebook, Twitter und Co. für sich entdeckt und bauen ihre Präsenz immer weiter aus.
Ihren Namen will sie nicht nennen und den ihrer Firma auch nicht. Aus gutem Grund: Eigentlich dürfte es das, was die junge Journalistin in Peking macht, gar nicht geben. Denn in Chinas streng kontrolliertem Internet ist der Zugriff auf internationale soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube tabu. Dennoch verbringt die Redakteurin ihre Arbeitstage online auf den eigentlich geblockten Seiten – dienstlich und als Angestellte eines Pekinger Staatsmediums.
Es ist eine schwierige Gratwanderung für die Journalistin. „Viele Kollegen wissen nicht, was ich mache – und das ist auch besser so“, sagt sie. Zwar will ihr Medium ein internationales Publikum erreichen, aber die Staatsreporter haben Angst vor einem Aufschrei in der chinesischen Öffentlichkeit. Denn wieso dürfen Staatsmedien fleißig twittern, wenn doch der Staat den Zugriff für fast 1,4 Milliarden Chinesen sperrt?
Es klafft eine gewaltige Lücke zwischen der wachsenden Präsenz von Pekings Staatsmedien auf Facebook oder Twitter und der zunehmenden Zensur sozialer Netzwerke in China. „Es geht um einen globalen Meinungskampf“, sagt Jeremy Goldkorn, der seit Jahren die Entwicklung chinesischer Medien verfolgt, der Deutschen Presse-Agentur. In den vergangenen Jahren sei die Kontrolle sozialer Netzwerke in China massiv ausgeweitet worden.
„Gleichzeitig erkennen Behörden, wie einflussreich Plattformen wie Facebook und Twitter für die Wahrnehmung in der internationalen Öffentlichkeit sind“, sagt Goldkorn. Mittlerweile tummeln sich Staatsmedien wie die Nachrichtenagentur Xinhua, das Staatsfernsehen CCTV oder die kommunistische Parteizeitung „Volkszeitung“ auf Facebook und Twitter. Sogar Provinzregierungen und Städte wie die Metropole Hangzhou in der Nähe von Shanghai buhlen in Werbekampagnen auf Facebook um Touristen aus Europa und Nordamerika.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat das Internet als „Schlachtfeld für ideologische Kontrolle“ bezeichnet. Unter seiner Führung wurden die Internetsperren, Chinas „große Firewall“ genannt, ausgeweitet. Die US-Nichtregierungsorganisation Freedom House stufte China in einer globalen Erhebung wegen strenger Regulierungen und Einschränkungen des Internets noch weiter ab. „Chinas politisches System hat immer neue Wege gefunden, um die Freiheit im Internet 2014 weiter zu unterdrücken“, resümiert die Organisation.
Die sozialen Netzwerke sind keine Einbahnstraße. Immer wieder wird Xinhua auf Twitter auf die Internetzensur angesprochen – bis die Agentur Ende November in einem Tweet antwortete: „Wir sind ein Medium und boykottieren Twitter nicht. Das hat nichts mit der Position der Regierung zu tun.“ Aber die Grenzen zwischen Regierung und Medien sind in der Volksrepublik nie ganz klar gewesen. Bis heute schreiben Xinhua-Reporter Texte für die Veröffentlichung und erarbeiten geheime Berichte für Chinas Sicherheitsbehörden.
Lu Wei ist so etwas wie der Vater der chinesischen Internetüberwachung. Der „Internet-Zar“ dirigiert Chinas Online-Strategie und Zensur. Der 54-Jährige arbeitete sich als Angestellter bei Xinhua nach oben und ist heute in allen wichtigen Behörden aktiv, die sich um das Internet in China kümmern. Seine Reden strotzen von Propaganda-Slogans. Immer wieder preist er Zensur als den Schlüssel zu seinem „sauberen Internet“.
Im Dezember reiste Lu in die Vereinigten Staaten und wurde von den Chefs vieler US-Technologieunternehmen umworben. Bilder zeigen ihn in der Facebook-Zentrale neben Mark Zuckerberg. Vor ihnen liegt ein Buch mit Reden von Xi Jinping. Zuckerberg habe gleich mehrere Exemplare gekauft. Das chinesische Regierungsportal berichtete, Zuckerberg habe das Buch für seine Kollegen besorgt und wolle, dass sie vom „Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten“ lernten. [Stephan Scheuer/fm]
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