Gute Nachricht für alle, die daheim dringend besseres Internet haben wollen: In den kommenden Jahren könnte ihre Wohnung mit dem Gigabit-Netz verbunden werden. Allerdings: Wirklich nötig ist so eine schnelle Übertragung für die meisten Nutzer noch nicht.
Deutschlands Internetbranche sieht sich beim Ausbau ihres Gigabit-Netzes auf Kurs. „Wir werden um 2030 fertig sein und werden dann Gigabit haben“, sagte der Chef des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), Jürgen Grützner, am Dienstag in Köln. Damit bezog er sich auf das Ziel der Branche, bis Ende dieses Jahrzehnts so gut wie allen Haushalten ein Festnetz-Downloadtempo von 1 Gigabit (1000 Megabit) pro Sekunde zu ermöglichen.
Derzeit liegt der Gigabit-Anteil bei 62,4 Prozent der Haushalte, wie aus einer Studie von Dialog Consult im Auftrag vom VATM hervorgeht. Ende 2021 sollen es mehr als zwei Drittel sein.
Nicht für alle Haushalte
Allerdings schränkte Grützner ein, dass wohl zwei bis drei Prozent der Haushalte nicht angeschlossen werden. Diese Häuser sind so abgelegen, dass für sie keine Glasfaser verlegt wird. Für sie könnte sich dann Internet über Mobilfunk oder Satelliten anbieten, sagte Grützner. Studienautor Torsten Gerpott ist insgesamt etwas weniger optimistisch – der Professor rechnet mit dem Erreichen des Gigabit-Ziels erst in der ersten Hälfte des kommenden Jahrzehnts.
Bei Gigabit-Anschlüssen gibt es zwei unterschiedliche Technologien, die genutzt werden: Beim Hybrid-Fiber-Coax-Netz (HFC) wird zu einem großen Teil Glasfaser genutzt, auf der letzten Strecke bis in die Wohnung hinein sind es aber Koaxialkabel, also TV-Kabel. Auf diese Technologie setzt Vodafone. Die Deutsche Telekom hingegen setzt bei ihrem Gigabit-Ausbau auf „Fiber to the Home“ (FTTH), hierbei gibt es Glasfaser bis in die Wohnung. Schnell sind beide Technologien, allerdings haben die TV-Kabel einen Nachteil: Sie sind ein sogenanntes Shared Medium, bei dem das Übertragungstempo deutlich sinkt, wenn viele Menschen in der Umgebung im Internet unterwegs sind.
Die Vorteile der „reinen Glasfaser“
Bei der „reinen Glasfaser“, wie FTTH auch genannt wird, sei das nicht so, sagt Andreas Walter von Dialog Consult: „Sie müssen sich nicht die Bandbreite mit allen anderen Kunden im Anschlussbereich teilen, sondern Sie haben eine dedizierte Leitung – das heißt, das Gigabit […] kommt auch wirklich zu Ihnen in die Wohnung.“ Auch bei der Latenz – also der Reaktionszeit – ist Glasfaser nach Walters Worten besser. Das ist wichtig für „Augmented Reality“-Anwendungen oder für Online-Games, in denen es auf schnelle Reaktionen ankommt.
Die meisten gigbabitfähigen Haushalte sind an das HFC-Netz angeschlossen, sie kommen also über TV-Kabel ins Internet. Hier ist Vodafone Marktführer, rund 20 Millionen Haushalte sind der Studie zufolge über die HFC-Technologie „Docsis 3.1“ angebunden. Rund drei Millionen Haushalte haben Zugang zum «reinen» Glasfasernetz, also FTTH oder zumindest FTTB (Fiber to the Building, also Glasfaser bis in den Keller). Und weitere drei Millionen Haushalte haben gewissermaßen ein Luxusproblem: Sie haben Zugang sowohl zum Glasfaser- als auch zum TV-Kabel-Netz und können sich also aussuchen, über welche Technologie sie Gigabit-Speed bekommen.
Wichtig: In der Studie geht es um die Zahl der Haushalte, bei denen Gigabit-Internet verfügbar ist, nicht um die Zahl der Gigabit-Verträge. Tatsächlich gehört nur zu einem guten Drittel (37,1 Prozent) der gigabitfähigen Anschlüsse auch ein Gigabit-Vertrag, der Rest der Anschlussinhaber verzichtet darauf und nutzt langsameres Internet – und zahlt so auch weniger Geld, als für die Highspeed-Verträge fällig wäre.
Wer braucht wirklich Gigabit-Speed?
Überhaupt stellt sich die Frage, ob Gigabit-Speed überhaupt notwendig ist für den alltäglichen Internetbedarf. Nach Angaben der Bundesnetzagentur lagen die meisten Verträge mit ihrer vermarkteten Bandbreite im vergangenen Jahr bei 100 Megabit oder weniger. Das reicht also vielen Menschen für den Download ihrer Dateien und zum Streamen.
Manche Verbraucher mit langsamen Internetverträgen haben diese allerdings wohl nicht ganz freiwillig – sie hätten gern mehr Speed, haben aber noch keinen Zugang zu einem besseren Netz. Sie können in den nächsten Jahren darauf hoffen, dass sich ihre Situation dank des Highspeed-Ausbaus verbessert.
„Es gibt heute viele Anwendungen, die benötigen das Gigabit nicht“, sagt Telekommunikationsexperte Gerpott. Wenn Gigabit in immer mehr Haushalten verfügbar sei, werde aber auch das Angebot für datenintensive Anwendungen steigen und damit wiederum die Nachfrage nach dem schnellem Internet, so der Professor von der Universität Duisburg-Essen. Die Zahl der Haushalte mit aktiviertem Gigabit-Netz wird nach seiner Einschätzung deutlich steigen.
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