Nach dem 24-stündigen Blackout von Wikipedia und zahlreichen weiteren Online-Protesten gegen die umstrittenden Netzsperren-Gesetzentwürfe in den USA scheint nun auch die Politik ihre Position zu überdenken. Mehrere Senatoren baten um zusätzliche Bedenkzeit für ihre Entscheidung über SOPA und PIPA.
Nach dem medienwirksamen Blackout des englischsprachigen Wikipedia und zahlreichen anderen Webseiten sowie Protestunterstützung von Branchenriesen wie Google und Facebook, scheinen US-Senatoren beider Parteien ihre bisherige Unterstützung für die Gesetzesinitiativen SOPA (Stop Online Piracy Act) und PIPA (Protect IP Act) zu überdenken. Sechs Republikaner baten den demokratischen Mehrheitsführer in der Kongresskammer, Harry Reid, den Gesetzgebungsprozess zu verlangsamen, um den Entwurf zu überarbeiten, wie die „Washington Post“ am Mittwoch berichtete. „Wir hören immer deutlicher von Wählern und Betroffenen, dass sie sich große Sorgen über unbeabsichtigte Konsequenzen machen“, schrieben die Senatoren.
Kritiker von SOPA und PIPA bemängeln, dass die Gesetzentwürfe einer möglichen Zensur im Internet Tür und Tor öffne und dieoffene Struktur unterdrücke. Stein des Anstoßes ist die Möglichkeit,den Zugang zu ausländischen Webseiten zu sperren, die illegalgeschützte Werke anbieten. Mit der geplanten Infrastruktur zur Blockadevon Websitesüber eine DNS-Manipulation könne das Netz auch ohne Bezug aufUrheberrechtsverletzungen zensiert werden, fürchten die SOPA-Kritiker. Zuvor wurden die Gesetzesinitiativen bereits von Präsident Barack Obama kritisiert, der allerdings im Repräsentantenhaus keine Mehrheit mehr hat (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete).
Die englischsprachige Version von Wikipedia ist derweil wieder erreichbar, mit einem Hinweis auf jeder Seite zum Erfolg des Streiks. Laut der Online-Enzyklopädie sahen über 162 Millionen Menschen die Nachricht auf der Webseite während des Blackouts. Zahlreiche US-amerikanische Wikipedia-Nutzer hätten sich zudem an ihre Kongressabgeordneten gewendet, um gegen die geplanten Gesetze zu protestieren und dafür gesorgt, dass die Telefone und Internet-Server heiß laufen. Von Seiten der Internetgemeinde könne die 24-Stunden-Aktion als Erfolg gewertet werden, auch wenn die Gesetze noch nicht vom Tische sind.
Bei Wikipedia wurde am Mittwoch anstelle der üblichen englischsprachigen Einträge eine dunkle Seite mit einer Protest-Erklärung angezeigt (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete). Google platzierte unter seinem Suchfenster den Link zu einer Online-Petition gegen das Gesetz. Für Nutzer in den USA war das bunte Google-Logo mit einem schwarzen Viereck verdeckt. Ganz vom Netz gingen auch der populäre Netzwelt-Blog „Boing Boing“ und das Online-Netzwerk Reddit. Die Homepage der Blog-Plattform WordPress war voller schwarzer Blöcke mit der Aufschrift „zensiert“. Selbst die für lustige Katzenbilder bekannte Spaßseite „icanhazcheezburger“ zeigte eine Protesterklärung.
In Deutschland sah man aus Solidarität unter anderem auf der Website der Grünen schwarz. Man wehre sich gegen „Politik, die unverhältnismäßig die Grundrechte einschränkt und eine Gefahr für den Informations- und Wissensaustausch bedeutet“, hieß es dort. Die Piratenpartei kritisierte, das Gesetz würde Online-Dienste zur Überwachung ihrer Nutzer zwingen. Der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz verglich die geplanten Maßnahmen in den USA mit der Netz-Zensur in China. Auch die Website der Piratenpartei war vom späten Vormittag an schwarz – mit einem virtuellen Taschenlampen-Lichtstrahl. [dpa/sv]
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