Seit Jahrzehnten ist Jack Ryan schon im Dienste der USA unterwegs. Bisher vor allem in Büchern und auf Kinoleinwänden. Jetzt zeigt Amazon Prime die von Autor Tom Clancy erdachte Figur erstmals als Miniserie. In vielem bleibt der CIA-Agent sich treu.
Wenn Victor einen Menschen tötet, bekommt er einen Dollar. Seine Kollegin in einem Drohnen-Steuerungszentrum des US-Militärs steckt ihm die Geldnote zu. Ihre Opfer sehen die beiden auf einem gestochen scharfen Satellitenbild, über Leben und Tod entscheiden sie per Knopfdruck. Die Sache mit dem Dollar ist eine Art zynische Wette. Victor hat eine der kargen Wände in seinem Schlafzimmer mit den Geldscheinen tapeziert. Doch die Trophäen sind für den US-Soldaten gleichsam ein Fluch, der ihn nachts nicht schlafen lässt. Selbst im Casino wird er die Banknoten nicht los. Und je mehr Dollars dazukommen, desto mehr plagt ihn sein Gewissen.
Victor ist eine der vielen zweifelnden Figuren in der achtteiligen Amazon-Serie „Tom Clancy’s Jack Ryan“ – Start ist am Freitag, 31. August. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Arbeit der US-Geheimdienste im Kampf gegen den Terror. Im Zentrum steht aber kein Agent à la James Bond oder Mission Impossible. Jack Ryan (John Krasinski) ist eigentlich Finanzexperte. Hochintelligent und trainiert – aber einer, der morgens mit Fahrrad und Rucksack ins Büro fährt.
Jack Ryan ist eine vom inzwischen verstorbenen US-Autor Tom Clancy erdachte Romanfigur, die übrigens nichts mit dem Soldaten James Ryan aus Steven Spielbergs gleichnamigem Weltkriegsepos zu tun hat. Clancy schrieb dicke, patriotische Politthriller, meist mit Ryan in der Hauptrolle, die in fast jeder Bahnhofsbuchhandlung zu finden sind.
Schon in „Jagd auf Roter Oktober“, der 1990 mit Sean Connery und Alec Baldwin verfilmt wurde, stolpert der CIA-Analyst quasi vom Schreibtisch ins Geschehen. Das gleiche Prinzip findet jetzt auch in der Amazon-Serie Anwendung. Als Ryan hier die Geldflüsse eines bisher unbekannten Terrornetzwerks entdeckt, ist der Ex-Marine schlagartig mittendrin in der Jagd auf einen Top-Terroristen.
In acht Folgen erzählt die Serie eine Geschichte rund um den Kampf gegen Terror und gegenwärtige Konflikte im Nahen Osten. Die großen US-Militäreinsätze in der Region sind vorbei, aber die Geheimdienste sind noch da. Jack Ryans Gegenspieler in der Serie ist Mousa bin Suleiman. Geflohen aus dem Libanon, teils aufgewachsen in Frankreich, ist Suleiman der Kopf einer aufstrebenden Terrororganisation.
Suleiman ist die Geschichte einer Radikalisierung. Der charmante Herumtreiber mit Strubbelfrisur wird im französischen Knast zum tief religiösen Fundamentalisten. Gefängnisse gelten in Frankreich als Brutstätte der Radikalisierung. Ohnehin stellt „Tom Clancy’s Jack Ryan“ immer wieder Bezüge zu dem her, was man gemeinhin über islamistische Terroristen und ihre Organisationen weiß.
Vieles wird aber nur gestreift und bleibt zwangsläufig an der Oberfläche. Moralische Grauzonen werden zwar gelegentlich diskutiert – wer gut und wer böse ist, machen die Serienmacher aber meist unmissverständlich klar. „Wenn ich in einer schönen Stadt in Amerika geboren wäre (…), könnte ich vielleicht auch einer von den Guten sein“, sagt ein Menschenhändler an der syrisch-türkischen Grenze. Wenige Szenen später erschießt er zwei Männer und bringt damit Jack Ryan gegen sich auf.
Obwohl die Serie einige moralische Konflikte aufwirft: Die PR-Abteilung der CIA dürfte erfreut sein über den aufrechten Agenten Ryan. Der US-Auslandsgeheimdienst ist unter anderem wegen seiner Verhörmethoden in zahlreichen Geheimgefängnissen immer wieder in der Kritik. Ein solches Gefängnis zeigt auch die Serie, aber viele Zuschauer dürften deutlich Härteres gewohnt sein.
Der spannende Plot der Serie funktioniert gut, auch wenn er etwas gradliniger ist als die komplexen Geschichten anderer zeitgenössischer US-Serien. Wie in den meist gut recherchierten Büchern von Tom Clancy lernt auch der Amazon-Prime-Zuschauer etwas über die Machtarchitekturen im US-Sicherheitsapparat und über die Arbeit von Geheimdiensten. Die Serienproduzenten brüsten sich mit mehreren Beratern, die auf eine Geheimdienstvergangenheit zurückblicken.
Wer sich am latenten US-Patriotismus, der auch schon in zahlreichen Filmen aus dem Jack-Ryan-Universum – zum Beispiel „Der Anschlag“ mit Ben Affleck oder „Die Stunde der Patrioten“ mit Harrison Ford – nicht stört, der kann Gefallen an der actiongeladenen Politserie finden. Außerdem: Wer steht schon nicht gern auf der Seite der „Guten“?[Felix Frieler]
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