Nach dem Ende der Fußball-Europameisterschaft steht bereits das nächste sportliche Großereignis auf dem Programm: die Olympischen Spiele in London. Im Interview mit der DF-Redaktion sprach ZDF-Olympia-Programmchefin Anke Scholten über die Vorteile von Livestreams und über das neue Konzept, mit dem das ZDF von Olympia berichten wird.
Frau Scholten, was wird hinsichtlich der ZDF-Berichterstattung im Vergleich zu den letzten Olympischen Sommerspielen 2008 anders sein? Was bleibt gleich?
Anke Scholten: Ein großer Unterschied zu Peking ist, dass das ZDF aus London keine Highlightsendung ausstrahlt. Durch die nur geringe Zeitverschiebung von einer Stunde laufen bis ca. 1.00 Uhr deutscher Zeit noch Wettbewerbe. Daher wird es aus London nur ein Format geben, nämlich „ZDF Olympia live“.
Neu ist auch der Einsatz von Hans-Dieter Hermann, einem der bekanntesten Sportpsychologen Deutschlands und psychologischer Berater der deutschen Fußballnationalmannschaft. Mit seiner Unterstützung wird das ZDF sportpsychologische Phänomene beleuchten. Schon lange ist bekannt, dass sportliche Erfolge nicht allein von Muskelkraft abhängig sind, nun soll unterhaltend erklärt werden, welche Rolle die mentale Stärke eines Athleten spielt. Ein weiterer großer Unterschied zu Peking ist, dass wir erstmals in großem Umfang ein Livestreaming bei Olympia anbieten. Dieses Angebot ersetzt die Olympiaberichterstattung in den digitalen Kanälen.
Gleich bleibt, dass im Mittelpunkt der ZDF-Berichterstattung dasErlebnis Live-Sport steht. Der exakte Sendeplan wird bestimmt durch dasGeschehen in den Stadien und Hallen. Darüber hinaus wird das ZDF ähnlichwie 2008 großen Wert auf eine journalistisch kompetenteHintergrundberichterstattung legen und die Besonderheiten desGastgeberlandes herausstellen. Filmbeiträge über Athleten, Sportartenund Regeln runden das Angebot ab.
Eine Auslagerung der Wettkämpfe auf die digitalen Spartensender von ARD und ZDF soll in diesem Jahr nicht mehr genutzt werden. Die britische BBC geht hingegen einen besonders aufwendigen Weg und will für die Laufzeit von Olympia 24 zusätzliche TV-Kanäle in HD anbieten. Warum legen Sie mit insgesamt sechs abrufbaren Livestreams hingegen mehr Wert auf Ihr Web-Angebot?
Scholten: Medienlandschaft und Sehgewohnheiten haben sich in den vergangenen vier Jahren grundlegend geändert. 2008 war die Nutzung von Livestreams auf Smartphones oder Tablet-PC vielleicht schon denkbar, aber kaum für ein breites Publikum realisierbar. Das hat sich geändert, und durch einen umsichtigen Aufbau der Streamingarchitektur können nun alle Plattformen, auch die mobilen, versorgt werden.
Weiterer Vorteil: Die Nutzung von Computern neben dem Fernsehen wird mehr und mehr zum Normalfall. Die Nutzer können im Stream Ihren Lieblingssport in ganzer Länge betrachten und gleichzeitig im Hauptprogramm das Wichtigste vom Olympischen Tag verfolgen. Ein weiterer Vorteil des Livestreams gegenüber den Digitalkanälen ist die Vielfalt, die damit ermöglicht wird. Statt vier sind bis zu sechs zusätzliche Übertragungen von Wettkämpfen nun möglich. Darüber hinaus sind zahlreiche Zusatzinformationen abrufbar. Kurzum: Der Nutzer kann in einem völlig neuen Ausmaß sein individuelles Olympiaprogramm selber zusammenstellen.
Es wird davon ausgegangen, dass es einen großen Ansturm auf die Livestreams Ihrer Online-Mediathek geben wird. Denken Sie, dass die Server dafür gut gerüstet sind, sodass es zu keiner Überlastung kommt?
Scholten: Wir haben, was die Kapazitäten betrifft, vorgesorgt und uns technisch entsprechend aufgestellt. Ein Orakel, das uns die tatsächlichen Zugriffe voraussagt, hätten aber auch wir gerne. Wir können nur auf Erfahrungswerte von zurückliegenden Sportgroßereignissen zurückgreifen, müssen aber immer die Dynamik im Web und dessen Nutzung sowie viele andere Faktoren dazurechnen. Vor vier Jahren gab es noch keine nennenswerte Verbreitung von Smartphones und noch gar keine Tablet-PC, mit denen man nun das Livestreaming empfangen kann.
Welche maximale Bildauflösung wird bei den Livestreams erreicht?
Scholten: Die Maximalauflösung beträgt 912×514 Pixel – oder grob: SD-Auflösung
Welche Bandbreite wird benötigt, um mehrere Livestreams gleichzeitig zu sehen?
Scholten: So einfach ist das nicht zu beantworten, da wir mit Olympia ein neues Streaming-Verfahren einsetzen, das abhängig von der Bandbreite, über die das Gerät im Moment des Betrachtens verfügt, die Qualität des Videos anpasst. D.h., man kann auch mit DSL1000 zwei Streams gleichzeitig sehen, allerdings in einer schlechteren Qualität. Wer mit der Maximalauflösung zwei Streams gleichzeitig sehen will, sollte schon DSL6000 haben.
Wie stellen Sie sich mit Ihrer ZDF-Mediathek-App auf das Sport-Großereignis ein? Wird es hier auch einen Livestream geben?
Scholten: Ja, auch in der ZDFmediathek-App werden das Hauptprogramm und die sechs parallelen Livestreams zu sehen sein. Damit kann das Streaming mit Smartphones mobil oder mit Tablet-Computern empfangen werden.
Was halten Sie von einer 3D-Übertragung, so wie es in diesem Jahr das erste mal von einigen TV-Anbietern geplant ist? Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft auch den 3D-Standard in das Olympia-Programm mit einzubeziehen?
Scholten: Wegen der hohen Kosten und des technischen Aufwands ist der 3D-Standard für das ZDF derzeit kein Thema. Der Einsatz der 3D-Technologie in der Zukunft ist denkbar, aber völlig offen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Details rund um die Olympischen Sommerspiele 2012 in London erfahren Sie auch in der aktuellen Ausgabe der DIGITAL FERNSEHEN. [red]
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