Jahrelang kannten die PC-Hersteller nur den Weg nach oben. Doch das steigende Interesse der Kunden an Smartphones und Tablets mischt die Karten in der Branche neu. Das kommende Jahr könnte die Computer-Industrie umpflügen.
Bei Ihnen gab es ein Smartphone oder Tablet unter dem Weihnachtsbaum? Sie sindnicht allein: Fast 40 Prozent in Deutschland wünschten sich zum Fest eins dermobilen Geräte oder wollten es sich selbst gönnen, wie eine Umfrage desBranchenverbandes Bitkom ergab. Die Zahl ist eine perfekte Illustration für dieNöte der PC-Branche – ihre Notebooks und Desktops lösen keine solcheBegeisterung aus. 2012 war ein mieses Jahr für viele Computer-Hersteller. Und2013 könnte zum Schicksalsjahr werden: „Die Branche kann sich ein zweitesverlorenes Jahr nicht erlauben“, sagt Analyst Ranjit Atwal vom MarktforscherGartner.
Ein Bild davon, wie genau es um den klassischen PersonalComputer steht, werden in wenigen Wochen die Zahlen zum vierten Quartal liefern.Das Geschäft im dritten Vierteljahr lief miserabel. Weltweit gab es einenAbsatzrückgang von mehr als acht Prozent, in Deutschland brachen die Verkäufe umfast ein Fünftel ein. In dem Quartal gab es noch eine plausible Rechtfertigungfür den scharfen Abfall: Kurz vor dem Start des neuen Windows-BetriebssystemsWindows 8 hielten sich die Käufer zurück und die großen Handelsketten ließensich Zeit, die Regale aufzufüllen.
Für das Schlussquartal wird diese Ausrede nicht mehr gelten. Windows 8, dergroße Hoffnungsträger der PC-Industrie, ist mit ersten Geräten auf dem Markt.Die Software ist so konzipiert, dass sie nicht nur auf PCs, sondern auch aufTablet-Computern läuft. Damit werden Hybrid-Geräte aus beiden Produktklassen mitklappbaren oder drehbaren Bildschirmen möglich. Das soll den PC in den Augen derVerbraucher wieder attraktiv machen.
Absatzzahlen zu Windows 8 gibt esnoch nicht. Einige Marktexperten sprachen von einem zaghaften Start. Soermittelte die Marktforschungsfirma NPD Group, dass im November in den USA sogarweniger Windows-Computer als vor einem Jahr verkauft worden seien. Microsoftzeigte sich in ersten Reaktionen zufrieden. Eine zentrale Frage dürfte dasVerhalten der Unternehmen werden: Mit ihren großen Geräteparks trugen sie stetseinen großen Teil der Branche auf ihren Schultern. Doch mit der wirtschaftlichenUnsicherheit und dem Trend, die Mitarbeiter ihre Geräte auch am Arbeitsplatznutzen zu lassen, schwächelt dieser Stützpfeiler der PC-Industrie.
DieBranche fährt auf Sicht in die Zukunft: Selbst bei Gartner haben Experten zumTeil völlig verschiedene Meinungen, ob die neuen Hybrid-Geräte das Interesse derKunden wieder anfeuern können. Die neuen „Convertibles“ seien ein „attraktivesAngebot“, sagt Analystin Meike Escherich. Ihr Kollege Atwal hingegen geht nichtdavon aus, dass die Hybrid-Modelle – ebenso wie die schon seit einem Jahr alsHeilsbringer beschworenen dünnen Ultrabooks – eine Wende herbeiführen können. „Der Preis der Geräte ist immer noch zu hoch und müsste radikal sinken, damitdie Verbraucher zum Kaufen zu animiert werden“, argumentiert er. Außerdem seienKombi-Modelle immer ein Kompromiss und schnitten in der Regel schlechter ab alsdie Einzelgeräte in ihren Einsatzbereichen.
Mit dem Wandel der Brancheverschieben sich auch die Gewichte zwischen den einzelnen Unternehmen. Derlangjährige Weltmarktführer Hewlett-Packard ist gerade dabei, dieSpitzenposition an den chinesischen Konkurrenten Lenovo zu verlieren. Dem Käuferder PC-Sparte von IBM hilft unter anderem die starke Position im weiterhinwachsenden chinesischen Heimatmarkt. Aber selbst in Europa konnte Lenovopunkten, während HP seine Kunden mit dem Zickzack-Kurs im PC-Geschäftverunsicherte: Erst sollte die Sparte abgetrennt werden, dann blieb sie doch imKonzern.
Zählt man in der neuen Computerwelt klassische PersonalComputer, Smartphones und Tablets zusammen, gibt es zwei klare Champions:Samsung und Apple. Der Marktforscher IDC erstellte für das dritte Quartalerstmals ein solches Ranking. Dank der mit Abstand führenden Position beiComputer-Handys landete Samsung klar auf dem ersten Platz mit insgesamt 66,1Millionen verkauften Geräten und einem Marktanteil von 21,8 Prozent. ZumVergleich: Alle Hersteller zusammen verkauften in dieser Zeit weltweit knapp 88Millionen PCs.
Der iPhone- und iPad-Hersteller Apple kam in dem aufden zweiten Rang mit 45,8 Millionen Geräten und 15,1 Prozent Marktanteil. ImWeihnachtsquartal dürfte der US-Konzern mit dem iPhone 5 noch etwas aufgeholthaben. [Andrej Sokolow]
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