Der Jubel bei Kabel Deutschland war am heutigen Donnerstag (31. Mai.) sicherlich groß. In einem Feldtest erreichte der Internet-Anbieter eine Downloadgeschwindligkeit von 4,7 Gbit/s – neuer Rekord. Doch der erreichte Maximalwert ist nicht massentauglich.
Kabel Deutschland veranstaltet gerne regelmäßig Feldtests für neue Geschwindigkeitsrekorde bei seinem Kabel-Internet und vergleicht diese dann mit den Geschwindigkeiten klassischer DSL-Anbieter. Sicherlich, Kabel-Internet hat seine Vorteile. Und dank der Kabelnetzbetreiber wurden viele weiße Flecken in der Republik mit schnellem Internet versorgt. Doch wie massentauglich ist der neue Rekord von 4,7 Gbit/s eigentlich?
Schnelles Kabel-Internet wird nach dem DOCSIS 3.0 Standard übertragen. Hierfür werden Frequenzen im Kabel genutzt, auf denen man auch beispielsweise digitales Fernsehen übertragen könnte. Mehr oder schnelleres Internet bedeutet somit weniger Platz für Fernsehen im Kabel. Kabel Deutschland schweigt sich in der Pressemitteilung leider aus, wie viele Kabelkanäle für den 4,7 Gbit/s Feldtest für Internet parallelgeschaltet werden mussten.
Laut (Euro)DOCSIS 3.0 Spezifikation können pro Kabelkanal um die 50 Mbit/s übertragen werden. Für (unkomprimierte) 4,7 Gbit/s wären somit 94 Kabelkanäle nötig. Bei neueren Modulationsverfahren, die bei diesem Feldtest sicherlich zum Einsatz gekommen sind, braucht man wahrscheinlich weniger Kabelkanäle. Doch auch 40 oder 50 Kabelkanäle müssten im normalen Kabel erst einmal anderen Diensten weggenommen werden. Ohne Abschaltung der Analogkanäle ist also hierfür kein Platz.
Hinzu kommt: Kabel ist ein „shared medium“. Alle Haushalte, zumindest die eines Gebietes, hängen an der gleichen Versorgungsleitung. Wenn nun ein Haushalt sich eine DVD mit 4,7 Gbit/s runterladen würde, wäre bei den anderen Kabelhaushalten währenddessen Ebbe. Wie groß Kabel Deutschland diese eigenständig versorgten Internetgebiete, die sogenannten Cluster, macht, ist Betriebsgeheimnis. Ebenso, mit wie viel durchschnittliche Bandbreite man pro Kabelhaushalt vorhält.
Für den Empfang der 4,7 Gbit/s im Feldtest mussten 12 Kabelmodems parallelgeschaltet werden. Kein Haushalt würde sich 12 Modems nebeneinander hinstellen. Diese Lastverteilung wäre übrigens auch mit VDSL von der Telekom möglich. Zwölf 50 Mbit/s-Entertain-Anschlüsse parallel ergeben 600 Mbit/s. Für 4,7 GHz wären 94 aktuelle VDSL-50- oder 47 künftige VDSL2-Anschlüsse (je 100 Mbit/s) nötig. Sofern der dahinter liegende Outdoor-DSLAM-Verteilerkasten das auch hergibt.
Auch DSL ist nicht das optimale Übertragungsmedium, sondern nur ein Kompromiss um bereits verlegte Zweidrahtleitungen breitbandig zu machen. Doch hier hat jeder Kunde eine eigene Leitung bis zur Vermittlungsstelle oder VDSL-Kasten (Outdoor-DSLAM) am Gehweg, die er jederzeit komplett für sich alleine nutzen kann. Wie schnell dann das weitere Backbone des Anbieters ist, ist auch hier Betriebsgeheimnis.
Kabel-Internet und DSL werden zusammenwachsen. Nicht auf den bisherigen Leitungen. Beide Anbietergruppen werden nicht umhin kommen, Glasfaser bis zu den Häusern zu verlegen. Dann wird es egal sein, ob man 200 Mbit/s von einem klassischen Telefonanbieter oder von einem Kabelnetzbetreiber bucht. Denn die Technik wird die gleiche sein.
Update:
Laut Arris, dem Hersteller der im Feldtests eingesetzten Kabelmodems, empfing ein Kabelmodem Daten aus acht Kabel-TV-Kanälen (je 8 MHz). Bei 12 Kabelmodems wurden somit maximal 96 Kabel-TV-Kanäle für den Feldtest in einer Schweriner Schule belegt. Das dortige Kabelnetz ist bis 862 MHz (Kanal 69) ausgebaut. Der UHF-Bereich (K21-K69) verfügt über 49 Kanäle, im Sonderkanalbereich (S2-S41) stehen 40 Kanäle zur Verfügung. Für den Internet-Feldtest müssen somit nahezu alle TV-Programme kurzzeitig abgeschaltet worden sein. [Kommentar von Stefan Hofmeir, Herausgeber Auerbach Verlag]
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