
Negative Schlagzeilen sorgen immer für Klicks, wie schön, dass man sich dabei auch noch auf Tests der Stiftung Warentest beziehen kann. Christian Trozinski, Chefredakteur der HDTV, meint: Lasst das Testen besser bleiben!
Es mutet schon fast schizophren an, wenn ich mich als Tester über Tests aufrege, schließlich testen wir täglich Geräte, Filme, Serien, Spiele und alles, was unseren Leserinnen und Lesern Freude bereiten kann. Wenn ich mir dieser Tage allerdings den Test der Stiftung Warentest zum Thema Video-on-Demand durchlese und dann noch die Berichterstattungen über diesen Test auf „Focus.de“ und Co., dann ist es mit meiner Freude nicht weit her.
Dass mich solche Tests überhaupt noch aufregen, überrascht mich selbst, schließlich sollte man nach über einem Jahrzehnt in der Branche jeden groben Unfug miterlebt haben. Doch wenn in Tests die Leser für dumm verkauft werden, dann rege ich mich halt auf und das wird sich wohl auch nie ändern.
Worum es geht? Um einen Vergleichstest von Video-on-Demand-Portalen, der vorrangig den Angebotsumfang bewertet. Verkürzt zusammengefasst: Man denkt sich bestimmte Filme und Serien aus, und wenn diese nicht bei den Anbietern gefunden werden, dann hagelt es Minuspunkte. Was dieser Test überhaupt nicht berücksichtigt, sind all die Gründe, weshalb man Dienste wie Sky, Netflix, Amazon usw. in Anspruch nimmt.
Mich interessiert es als Filmfan zum Beispiel nicht, ob ein VoD-Anbieter meine Filmsammlung auf Blu-ray ersetzen kann. Nein, das will ich überhaupt nicht, denn pro Film werden Lizenzgebühren fällig, die man lieber in Eigenproduktionen oder exklusive Angebote stecken kann. Mich interessieren Sky, Netflix und Amazon genau dann, wenn ich Serien wie „Game Of Thrones“, coole Animes wie „Samurai Champloo“ und fantastisch produzierte Serien speziell für Kinder wie „Tumble Leaf“ sehen kann.
Der „Testsieger“ Maxdome kann im Test 100-Mal so viele Filme im Angebot haben, was mich wirklich interessiert, finde ich nur bei anderen Diensten. Und genau hier liegt die große Diskrepanz zwischen theoretischem Test und Praxiserfahrung: Inhalte abseits des klassischen Kinofilms weisen mittlerweile eine derart hohe Produktionsqualität auf, dass bereits eine exklusiv angebotene Serie die Entscheidung zugunsten eines VoD-Anbieters beeinflussen kann. Natürlich spielt die Preis-Leistung und die Abo-Dauer ebenfalls eine große Rolle, aber wenn ich zum Beispiel „Game Of Thrones“ sehen möchte, komme ich um einen bestimmten Anbieter nicht herum.
Wenn es nach der Logik des Stiftung Warentest Tests geht, dann müssten die Anbieter Unsummen für Filmrechte ausgeben und hätten immer noch kein besseres Angebot, als es der klassische Filmvertrieb auf Disc bietet. Eine einfache Gegenrechnung: Über Netflix kann man die Serie „Samurai Champloo“ in HD-Qualität streamen und müsste durch die monatliche Kündigungsfrist nicht mehr als 8,99 Euro ausgeben. Auf Blu-ray ist der Titel erst Ende März für stolze 69 Euro erhältlich, was umgerechnet bedeutet, dass man Netflix rund acht Monate zum gleichen Preis testen könnte.
Der größte Vorteil von vielen VoD-Anbietern kommt im Test ebenfalls zu kurz: Dienste wie Netflix lassen sich überall dort nutzen, wo die Internetleitung mitspielt, das heißt man ist völlig ungebunden wo, wann und wie etwas geschaut wird – gerade wenn man viele Serien schaut, gibt es derzeit keinen besseren Vertriebsweg.
Liebe Tester und Redakteure der Stiftung Warentest, „Focus.de“ und Co., merkt ihr etwas? Genau, eure Bewertungen und Beschreibungen sind in keinster Weise zeitgemäß oder in irgendeiner Weise hilfreich, um eine Entscheidung zu treffen. Es geht nicht um das größte Angebot zum kleinsten Preis, sondern um das richtige Angebot für die entsprechenden Zielgruppen. Und genau in diesem Punkt sind euch die VoD-Anbieter, die besonders schlecht im Test abgeschnitten haben, meilenweit voraus.
Aber wie soll ein VoD-Test auch schon zielgruppengerecht durchgeführt werden, wenn in der Ausgabe zusätzlich Bohrmaschinen, Hundefutter, Körperöle und Sommerreifen getestet werden müssen. Da ist es doch viel bequemer die Logik auszuschalten und die immer gleiche Testroutine mit wunderschönen Plus-Minus-Tabellen durchzuziehen, damit die Leserinnen und Leser am Ende des Magazins die wichtigste Entscheidung überhaupt treffen können: Black&Decker, Frolic, Continental oder doch lieber Maxdome?[Kommentar von Christian Trozinski, Chefredakteur HDTV]
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