Die anhaltende Flüchtlingswelle erfordert neue Ideen. So erfolgt nun Integration auf allen Kanälen. Den Flüchtlingen stehen zahlreiche Smartphone-Apps zur Verfügung, die den Start in Deutschland erleichtern sollen.
Während der Flucht vernetzen sich die Menschen über Whatsapp und Facebook. Nach der Flucht könnten Willkommens-Apps zu ihrem Begleiter im Alltag werden. Erste regionale Anwendungen kamen von Unternehmen, nun hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit einer bundesweiten App nachgezogen. Die Palette der verschiedenen Anwendungen ist bislang noch recht unübersichtlich. Ihr Nutzen für Flüchtlinge wird sich zeigen müssen.
Etwa 15.000 Mal wurde die von zwei Dresdner IT-Unternehmen entwickelte „Welcome App“ im vergangenen Jahr heruntergeladen. Sie bietet Informationen über den Alltag und das Asylverfahren in Deutschland. Daneben bündelt sie stadtspezifisch Adressen von Behörden, Sprachkursen und Initiativen mit Angeboten für Flüchtlinge. Ein ähnliches Konzept verfolgt „Integreat“ aus Augsburg. Aktive Nutzer hat die App bisher nach eigenen Angaben rund 1200.
Verglichen mit den etwa 1,1 Millionen Flüchtlingen, die 2015 nach Angaben des Bundesinnenministeriums in Deutschland registriert wurden, erscheinen diese Download-Zahlen niedrig. Allerdings starteten beide Angebote zunächst nur in einer Stadt.
Daneben gibt es etwa Übersetzung-Apps wie den Messenger „speakfree“, der nach Angaben des Unternehmens monatlich etwa 15.000 Nutzer hat. Flüchtlinge können in ihrer Sprache eine Nachricht schreiben, beim Chat-Partner kommt der Text auf Deutsch an – oder umgekehrt.
Das BAMF will diese Angebote nun ergänzen. Auch die App „Ankommen“ beantwortet Fragen über den Ablauf des Asylverfahrens und den Alltag in Deutschland. Daneben gibt es einen Sprachkurs des Goethe-Instituts für die ersten Schritte auf Deutsch. Auf regionale Informationen wurde bewusst verzichtet. Die App soll Flüchtlingen vor allem während der ersten Wochen in der Erstaufnahme helfen.
Aber auch für Bedürfnisse wie Wohnung, Möbel oder Job, die für Asylbewerber erst zu einem späteren Zeitpunkt relevant werden, gibt es bereits Lösungen und Ideen. Die Website „home4refugees.org“ will Wohnungen direkt zwischen Flüchtlingen und Vermietern vermitteln statt über Behörden. Auf „ankommen.eu“ können Möbel und andere nützliche Dinge Flüchtlingen gespendet werden.
Während eines „Refugee Hackathon“ feilten im Oktober noch viel mehr Entwickler an ihren Ideen, die sich inhaltlich allerdings teilweise überschneiden. Und so lässt sich auch das Angebot des BAMF nicht trennscharf von den bestehenden regionalen Apps abgrenzen.
Die Initiatorin des „Hackathons“, Anke Domscheit-Berg, sieht das kritisch: „Es wird schon viel zu lange zu viel parallel entwickelt.“ Auf der Veranstaltung kam deshalb eine Idee mit dem Arbeitstitel „Metabrain“ auf. In einer Datenbank sollen existierende Projekte und solche, an denen noch gearbeitet wird, gebündelt werden. Entwickler sollen sich so besser abstimmen können und Doppel-Arbeit vermeiden, sagt einer der „Metabrain“-Koordinatoren, Markus Dölle. Eine erste Version ist für Anfang März geplant.
Domscheit-Berg sieht die digitalen Entwicklungen für Flüchtlinge sehr positiv; dennoch hat sie Sorge, dass dadurch der Blick auf die eigentlichen Probleme verstellt werden könnte. So sei etwa die Vermietung von Wohnungen an Asylbewerber ein furchtbar überbürokratisierter Prozess. Für private Vermieter dauere das häufig viel zu lange. Da reiche eine Plattform zur Wohnungsvermittlung nicht aus. Ähnlich sehe es bei der Jobvermittlung aus, solange Flüchtlinge nur unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland arbeiten dürften.
Außerdem brauche es ein ordentliches Marketing, so Domscheit-Berg. Behörden und Beratungsstellen müssten konsequent über die Angebote informieren, damit Flüchtlinge und Einheimische davon erführen. „Die schönste BAMF-App hilft zudem gar nichts, solange es in Flüchtlingsunterkünften kein WLAN gibt“, sagt die Aktivistin. Das Problem hat zumindest auch das BAMF erkannt. Projektkoordinator Heinrich Alt stellte am Mittwoch in Aussicht, dass zumindest alle Erstaufnahmeeinrichtungen bald mit WLAN ausgestattet sein sollten. [Claudia Kornmeier/kw]
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