Auf seiner derzeit laufenden Tagung setzt sich der Chaos Computer Club auch mit der Frage auseinander, ob die Existenz sicherer Systeme überhaupt möglich ist. Spätestens mit der zukunftsträchtigen Technologie könne die Sicherheit im Internet ein Ende finden.
Quantencomputer, in Chips versteckte Überwachungstechnik, Netzsperren: An allen Ecken und Enden scheint das Ideal eines selbstbestimmten und freien Lebens in der digitalen Gesellschaft in Gefahr. „Die Stimmung ist schon etwas gedrückt, wir sind in einem Tal“, sagt Frank Rieger, einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), am Montag in Hamburg.
Der zweite Tag des Hackerkongresses hat gerade begonnen. Zum Auftakt gab es eindrucksvolle „Hacks“ zum VW-Abgasskandal und zu Sicherheitslücken beim Bezahlen mit EC-Karte. Aber ebenso gab es düstere Warnungen vor eingebauter Überwachungstechnik in Hardware. Und das Szenario, dass alles Bemühen um die Verschlüsselung von Daten zum Schutz der Privatsphäre in ein paar Jahren obsolet sein könnte.
„Sobald es Quantencomputer gibt, können die bislang verwendeten Schlüssel in kurzer Zeit geknackt werden“, sagt der Computerwissenschaftler Daniel Bernstein aus Chicago. Solche Quantencomputer arbeiten nicht mehr auf der Basis der klassischen Physik mit den digitalen Informationen 0 und 1, sondern mit Zuständen, die sich entsprechend der Quantentheorie auch zeitgleich überlagern können.
Zusammen mit der deutschen Mathematikerin Tanja Lange rief Bernstein die Hackerszene dazu auf, sich schon jetzt mit Verschlüsselungsverfahren für das Zeitalter der Quantencomputer zu beschäftigen. Der CCC will sich dem stellen. „Schon immer leitet uns die Frage, wie wir überhaupt sichere Systeme bauen können“, sagt Rieger im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Die Zweifel daran werden immer größer.“
Bei aller Skepsis und manchmal bis zur Paranoia reichender Sorge vor staatlicher und kommerzieller Kontrolle ruht aber auch eine gehörige Portion Fortschrittsoptimismus auf dem Grund der Hackerseele. „Wir stehen vor einer Menge neuer Technologien, die groß und mächtig und schwierig erscheint“, erklärt Frank Rieger. „Das führt aber dazu, dass sich die Leute daran festbeißen und vorangehen.“ So wie der junge Berliner Fabian Bräunlein, der zusammen mit anderen Experten der Firma SR Labs eklatante Sicherheitslücken beim Bezahlen mit EC-Karten bloßgestellt hat.
Der CCC wendet sich verstärkt an Jungen und Mädchen, um sie für die eigenen Ziele zu begeistern. Unter dem Motto „Chaos macht Schule“ fördert eine Bildungsinitiative den Blick hinter die Kulissen der digitalen Welt. Auf dem Chaos Communication Congress zeigt der Nachwuchs bei „Jugend hackt“ Apps und Anwendungen, die Geflüchteten die Ankunft in Deutschland erleichtern sollen – etwa „Moin Refugees“ aus Hamburg oder das Kölner Projekt „Germany says Welcome“.
In der ungleichen Verteilung des globalen Wohlstands sieht der CCC eine Ursache sowohl der staatlichen Bemühungen um verstärkte Kontrolle als auch von kriminellen Attacken auf digitale Systeme. Die Kenntnis der dabei möglichen Techniken ist für den CCC die wichtigste Voraussetzung, um sich dagegen zu wappnen. Und da gebe es jetzt etliche neue Technologien, mit denen sich die Hacker dringend beschäftigen müssten, sagt Rieger. „Das ist wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel, das ist der Sport.“[Jenny Tobien/Peter Zschunke/kw]
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