Mit dem neuen Telemediengesetz will die Regierung mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber schaffen, doch es birgt auch bisher unbeachtete Probleme. Denn auch Host-Dienste wie Dropbox oder soziale Netzwerke sind betroffen. Branchenverbände zeigen sich besorgt.
Der Gesetzentwurf der schwarz-roten Regierungskoalition zur Haftung von WLAN-Betreibern gefährdet nach Einschätzung der Branchenverbände Eco und Bitkom auch viele Cloud-Dienste, Medien-Plattformen und Social-Media-Dienste. In dem umstrittenen Gesetzentwurf werde die gesamte Branche der Host-Provider wie Strato oder Dropbox torpediert.
Als Host-Provider gelten Online-Plattformen, die Inhalte für ihre Nutzer speichern, zum Beispiel Cloud-Speicherdienste oder soziale Netzwerke. Bisher müssen sie für illegale Inhalte auf ihrer Plattform nicht haften und diese nur unter bestimmten Voraussetzungen entfernen. In Zukunft sollen sogenannte „gefahrgeneigte Dienste“ immer haften. Um diese identifizieren zu können, legt der Gesetzentwurf verschiedene Kriterien fest. Von einem illegalen Angebot sei auszugehen, wenn zum Beispiel die „weit überwiegende Zahl der gespeicherten Informationen“ rechtswidrig verwendet wird oder der Anbieter „vorsätzlich die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung fördert“.
Der Begriff „gefahrengeneigte Dienste“ und die Kriterien dafür seien „schwammig und unausgegorenen“, kritisierte der Eco-Vorstand Politik und Recht, Oliver Süme. Aus Sicht des Bitkom wird diese Regelung nicht dazu führen, Urheberrechtsverstöße einzudämmen oder gar zu verhindern. „Das Problem sind nicht die geltenden Gesetze, sondern deren Durchsetzung“, sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.
Der Eco-Verband berief sich bei seiner Kritik auf ein Gutachten des Medienrechtsexperten Dieter Frey. Der Fachanwalt sprach am Mittwoch in Berlin von einem „rechtlichen und systematischen Chaos“. Der deutsche Gesetzgeber dürfe solche Regelungen gar nicht treffen, weil diese unter die europäische E-Commerce-Richtlinie fallen, bei der die Mitgliedsstaaten nicht engere oder weitergehende Bestimmungen treffen dürften. „Dafür ist Europa zuständig.“
Frey kritisierte weiterhin, dass der Gesetzesentwurf gegen den Datenschutz verstoße: „Wenn ich eine pseudonyme oder anonyme Nutzung vorschriftsmäßig erlaube, gelte ich sofort als ‚gefahrgeneigter Dienst'“.
Nach Einschätzung der beiden Verbände kann mit dem Gesetzentwurf auch nicht das Ziel der Koalition erreicht werden, massive Verstöße gegen das Urheberrecht durch Dienste wie Kino.to zu unterbinden. „Die schwarzen Schafe verstecken sich hinter Tarnfirmen, die Server in Ländern wie Russland anmieten und von hier aus quasi nicht verfolgt werden können“, sagte Süme. Die Formulierungen im Gesetzentwurf behinderten aber das Geschäft von 20 000 oder 30 000 Firmen in Deutschland, die legal Cloud-Dienste anbieten.
Die Regierungsparteien wollen mit der geplanten Änderung des Telemediengesetzes Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag und der Digitalen Agenda der Bundesregierung umsetzen. Dazu gehört auch, die Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber bei der sogenannten Störerhaftung zu verbessern. Allerdings bemängeln Wirtschaftsverbände, Verbraucherschützer und Online-Aktivisten, dass die Anbieter „zumutbare Maßnahmen“ ergreifen und beispielsweise das Funknetz verschlüsseln müssen. Das Netz darf dann auch nur denjenigen bereitgestellt werden, die zuvor erklärt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen. Diese Einschränkungen seien ungeeignet und rechtswidrig. Außerdem verstießen sie gegen das Europarecht. [dpa/fs]
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