In Zeiten von anonymen Foren und Hetzkommentaren in sozialen Netzwerken scheint die Sprache immer mehr zu verrohen. Eine Tendenz, die Sprachforscher nicht bestätigen wollen. Vielmehr sorge das Internet für eine sich weiter differenzierende Sprache.
Durch Facebook, Twitter und Co. verändert sich Sprache – doch nicht unbedingt zum Schlechteren. Davon sind Sprachforscher überzeugt. „Die meisten Nutzer im Internet wollen durch innovative sprachliche Strategien beeindrucken“, sagt die Mannheimer Sprachwissenschaftlerin Eva Gredel. „Die Sprache verroht dadurch nicht wirklich, sie differenziert sich nur mehr aus: Es geht darum, den Stil für seine Community zu finden“, erläuterte die Sprecherin des Wissenschaftsnetzwerks „Diskurse digital“ vor einer Konferenz zum Thema am Dienstag und Mittwoch in Mannheim.
Sprachforscher des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Netzwerks diskutieren dabei, wie Twitter-Hashtags wie „#RegrettingMotherhood“ die Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beeinflussen und wie Wortneubildungen wie „Flüchtlingsflut“ oder „Asylantenstrom“ zur Hass-Sprache avancierten.
„Sprache verfällt nicht“, betonte Wissenschaftlerin Gredel am Beispiel des teils sehr speziellen Slangs mancher Wikipedia-Autoren. Die ziehen schon mal über „Newstickeritis“, „Zitieritis“ oder „Abkürzeritis“ her, um Beiträge zu diskreditieren, die ihnen nicht adäquat erscheinen. „Jeder Sprecher hat einen unterschiedlichen Stil.“ Wer als „Troll“ bezeichnet wird, kann jedoch sicher sein, dass es kein Kompliment ist.
Eltern, die sich über die teils schmale sprachliche Kost ihres Nachwuchses etwa via Whatsapp aufregen, kann die Wissenschaftlerin beruhigen: „Wenn Schüler mehrere Stile beherrschen, ist das doch nicht schlecht.“ Der Notendruck in der Schule sorgt aus ihrer Sicht schon dafür, dass Kinder und Jugendliche auch die regelkonforme Sprache beherrschen.
Dass Donald Trump es mit „Vulgärsprache“ auch im Internet ins US-Präsidentenamt geschafft hat, heißt für Gredel nur: „Einzelne Akteure werden aggressiver.“ Ganz schlimm findet sie Metaphern wie „Flüchtlingsflut“, die Menschen in Not als Naturkatastrophe darstellen. In welchen Netzwerken so etwas am meisten vorkommt, ist noch Gegenstand der Forschung.
„Digitale Plattformen wie Wikipedia und Facebook sind ein sozialer Raum, an dem gesellschaftliche Entwicklungen sprachlich beobachtbar werden oder Diskurse überhaupt erst entstehen“, sagte Gredel. An dem Wissenschaftsnetzwerk sind neben der Universität Mannheim und dem Institut für Deutsche Sprache derzeit acht weitere Universitäten beteiligt. [Susanne Kupke/buhl]
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