Das EU-Parlament hat die Netzneutralität gestärkt. Alle Dienste sollen auch künftig gleich schnell durch das Internet geleitet werden. Auch die Roaming-Gebühren für die Handy-Nutzung im europäischen Ausland sollen bald wegfallen.
Das EU-Parlament stärkt die Rechte der Verbraucher bei Telekom-Diensten. Die Roaming-Gebühren für Handy-Nutzung im europäischen Ausland sollen Ende 2015 verschwinden. Zudem sollen alle Daten grundsätzlich gleichberechtigt durch die Netze fließen, beschlossen die Parlamentarier am Donnerstag in Brüssel. Das bedeutet für Internet-Nutzer, dass alle Angebote im Netz ähnlich gut und schnell funktionieren müssen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürften allerdings noch Monate vergehen: Die Pläne benötigen auch die Zustimmung der EU-Staaten.
Bundesverbraucherminister Heiko Maas (SPD) begrüßte die Vorhaben. Sie seien „zwei für die digitale Welt wichtige Signale“, sagte er. Beide Beschlüsse könnten für Telekom-Unternehmen einen Verlust von Einnahmen bedeuten. Industrieverbände reagierten mit Kritik und verwiesen auf hohe Kosten für den Ausbau der Netze.
Wer auf Reisen in Europa mit dem Handy telefoniert oder im Internet surft, soll nach dem Willen des EU-Parlaments demnächst keine Extragebühren mehr bezahlen müssen. Die Abgeordneten stimmten dafür, diese Roaming-Gebühren zum 15. Dezember 2015 zu verbieten. Die EU-Kommission wollte sie erst zum 1. Juli 2016 abschaffen.
Einen Freifahrtschein für gänzlich sorgloses Surfen und Telefonieren im europäischen Ausland wollen die Parlamentarier allerdings nicht erteilen. Bei einer „zweckwidrigen oder missbräuchlichen Nutzung“ sollen auch weiterhin Roaming-Gebühren erlaubt sein.
Der europäische Verbraucherverband Beuc begrüßte die Pläne. „Dabei gewinnt jeder. Derzeit nutzen 47 Prozent der Reisenden niemals mobiles Internet, weil die Datenkosten so obskur sind“, kommentierte die Organisation. Sie rechnet mit einer rasanten Zunahme der mobilen Internetnutzung im Urlaub. Die für Telekommunikation zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes erklärte: „Mit dieser Abstimmung bewirkt die EU etwas für die Bürger.“
Das sieht der Verband Bitkom anders. „Eine Abschaffung der Roaming-Gebühren würde (…) die Verbraucher an anderer Stelle zusätzlich belasten“, meinte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Die Preise für Inlandstelefonate und mobile Internetnutzung würden zwangsläufig steigen.“ Während viel reisende Geschäftsleute profitierten, würden einkommensschwache Bevölkerungsgruppen im Inland leiden. Zudem entgingen den Netzbetreibern dringend benötigte Einnahmen für den Breitbandausbau.
Die EU-Kommission drückt die Roaming-Kosten seit Jahren nach unten. Am 1. Juli sinken die Gebühren weiter – das ist längst beschlossen. Auch die Telekom-Anbieter hatten Roaming-Gebühren für Datendienste unter anderem durch befristete Flatrates bereits deutlich gesenkt.
Die Parlamentarier stützten auch das Prinzip der Netzneutralität. Es sieht vor, dass Internetanbieter bestimmte Daten nicht schneller als andere durchleiten dürfen – also etwa eigene Videoangebote nicht gegenüber anderen Online-Diensten bevorzugen. Befürworter der Netzneutralität befürchten, dass ohne sie ein Zwei-Klassen-Internet unterschiedlich schneller Dienste entstehen könnte.
Die Abgeordneten traten mit Nachdruck für die Gleichheit von Inhalten im Internet ein. Eine Sonderbehandlung für Dienste mit großen Datenmengen wollen sie zwar zulassen, etwa für den Videoabruf oder Gesundheits-Angebote. Dies dürfe aber Verfügbarkeit und Qualität von anderen Diensten nicht beeinträchtigen.
Internetanbieter dürften auch keine Unterschiede zwischen gleichwertigen Diensten machen, etwa zwischen mehreren Videoangeboten. Eine Drosselung oder Blockade einzelner Dienste soll nur in Ausnahmefällen erlaubt sein. Das müssen Internetanbieter dann ihren Kunden transparent erklären.
Netzaktivisten reagierten begeistert auf das Votum. Sie hatten sich in den vergangenen Tagen mit Anrufen, Faxen und Online-Unterschriften für die Verankerung der Netzneutralität eingesetzt. Die EU habe sich als Vorreiterin des freien und offenen Internets etabliert, erklärten die Bürgerrechtler von European Digital Rights. „Ihr seid alle Superstars der Freiheit“, twitterten sie.
Der europäische Verband von Telekommunikationsanbietern Etno kritisierte dagegen das Ergebnis. Es schränke die Möglichkeiten von Anbietern ein, ihren Kunden innovative Dienste zu verkaufen. Die Qualität von Gesundheitsdiensten oder Bildungsangeboten könne leiden. [dpa/ps]
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