„Es wird keine Grundverschlüsselung geben“

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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DIGITAL FERNSEHEN sprach mit Lutz Mahnke, Vorsitzender des Free Universe Networks (FUN), zum Thema MHP, digitales Kabel und den neuen Aufgaben von FUN:

DF: Wie konkret sehen Sie die Grundverschlüsselung im deutschen Kabel?
 
Mahnke: Die Öffentlich-Rechtlichen haben sich mit ihrem Anspruch unverschlüsselt zu senden wohl durchgesetzt. Auf der anderen Seite wehren sich die Privaten dagegen nicht verschlüsselt zu werden. Man wird sehen, wie ein Kompromiss aussieht. Mir ist im Augenblick nicht wirklich klar und transparent, warum sich die Veranstalter gegen eine Grundverschlüsselung wehren.
 
DF: ARD und ZDF müssten dann aber auch grundverschlüsselt werden, denn ansonsten hätten die privaten Sender einen Wettbewerbsnachteil…
 
Mahnke: Da stimme ich Ihnen zu und ich befürchte auch, dass sich wahrscheinlich unter exakt den gleichen Verhältnissen die Öffentlich-Rechtlichen durchsetzen werden. Die Öffentlich-Rechtlichen sind wesentlich stärker positioniert als die Kommerziellen. Es kann also durchaus darauf hinauslaufen, dass keine Verschlüsselung im Kabelnetz kommen wird. Das betrachte ich nicht als besonders förderlich.

DF: Lässt die Receiverspezifikation der KDG den Herstellern genügend Spielraum für unterschiedliche Modelle?
 
Mahnke: Im Gespräch mit Herrn Steindorf habe ich den Eindruck gewonnen, dass die KDG naturgemäß und nachvollziehbar ihre Spezifikation definiert. Und die KDG wird das, was diesen Spezifikationen entspricht, zertifizieren. Man wird sich nicht dagegen wehren, wenn Receiver mit KDG-Zertifikat ein Common Interface mit beinhalten. Und die KDG wird sich auch nicht dagegen wehren, wenn ein Set-Top-Boxen-Hersteller mit MHP mit in den Kabelmarkt geht.
 
DF: Also freie Fahrt für MHP im Kabel?
 
Mahnke: MHP ist bereits im Kabel, allein weil die Öffentlich-Rechtlichen eingespeist werden. Aber die oben geschilderten Eindrücke heißen für mich dann tatsächlich „freie Fahrt für MHP im Kabel“ – sofern ich Herrn Steindorf richtig verstanden habe. Das war aber für mich sehr klar und unmissverständlich ausgedrückt. Das würde uns im Sinne von weiteren Applikationen und Diensten eine ganze Menge neuer Möglichkeiten geben. Das heißt auch, es kann 2004 hoffentlich endlich losgehen.
 
DF: Dann würde sich auch Premiere beteiligen?
 
Mahnke: Herr Kofler hat mir nachdrücklich versichert, dass Premiere nichts gegen MHP hat. Aber er hat mir genauso nachdrücklich gesagt, dass Premiere momentan keine Applikationen dafür plant. Aber er sagt auch, wer bei Premiere auftaucht und seine Set-Top-Boxen zertifizieren will – die natürlich den Premiere Standards entsprechen müssen – und darüber hinaus MHP anbieten will, der ist herzlichst eingeladen sich dem Zertifizierungsprozess zu unterziehen. Wer MHP als API in seiner Set-Top-Box unterbringen will, kann das gerne tun.
 
DF: Reine CI-Receiver werden jedoch von Premiere nicht mehr sonderlich gefördert…
 
Mahnke: Früher war das CI-Modul immer Eigentum von Premiere, das zum Aboende zurückgeben werden musste. Jetzt kann es als Eigentum erworben werden. Auf die Frage allerdings, warum man das CI-Modul so reduziert – wir haben ja rund 500.000 CI-Boxen auf dem Markt, die nicht Premiere-zertifiziert sind, und es wäre ja auch durchaus im Sinne von Premiere mit der entsprechenden Möglichkeit diesen Markt gegenseitig zu erschließen – kam eine hoch interessante Antwort. Man hat bei Premiere wohl mit den einzelnen Set-Top-Boxen-Herstellern gesprochen um eine Nach-Zertifizierung auf die Beine zu stellen. Und angeblich soll es so gewesen sein, dass die Set-Top-Boxen-Hersteller kein sehr großes Interesse daran hatten. Man wird also nicht in der Lage sein wird diesen Markt anzusteuern, weil die technischen Voraussetzungen für Premiere nicht vorhanden sind.
 
DF: Bei der Digitalisierung des Kabels hört man immer wieder, dass die beiden großen privaten TV-Konzerne in Deutschland lieber den Status Quo erhalten wollen als das Kabel für weitere Konkurrenten zu öffnen…
 
Mahnke: Ich kann mich dem von Ihnen formulierten Gedanken nicht wirklich verschließen. Wenn es zu einer steigernden Digitalisierung kommt, wird natürlich auch eine größere Vielzahl von unterschiedlichen Programmangeboten und auch Dienstleistungen kommen. Spartensender haben immer den großen Nachteil, dass sie diese Marktanteile den großen Sendern abnehmen. Die Kanibalisierung, die zwangsläufig durch die Digitalisierung stattfinden kann, wird sich irgendwo wiederfinden.
 
DF: Welche weiteren Projekte stehen 2004 für FUN an?
 
Mahnke: Der Schwerpunkt wird sein die inhaltliche Seite zu unterstützen und MHP weiter zu fördern. Im Moment sind wir dabei ein Thesenpapier auszuarbeiten, das die „Markteinführung von digitalem interaktivem Fernsehen“ betrifft. Wir beschweren uns allesamt seit Jahren berechtigterweise, dass in Deutschland digitales Fernsehen über Pay-TV definiert wird. Sowohl der Kunde als auch die dazwischen geschalteten Institutionen, in diesem Fall der Fachhandel, haben keine Ahnung was Digitales Fernsehen außerhalb des Pay-TV eigentlich heißt. Hier gibt es einen großen Aufklärungsbedarf, der geleistet werden muss. Wir wollen versuchen mehr Transparenz und Klarheit in den Markt zu bringen. Insbesondere die Rundfunkanstalten sind aufgefordert viel mehr an Kommunikationsmaßnahmen durchzuführen als nur Promotion wie „Pilawa gibt es auch interaktiv“ einzublenden. Hier ist noch eine ganze Menge Arbeit zu leisten. [sh]

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