Im wachsenden VoD-Markt werden Eigenproduktionen immer mehr zum Trumpf. Netflix weiss das und steckt daher jedes Jahr hunderte Millionen Dollar in neuen Content. Doch damit ist Netflix nicht allein. Daher buhlt der Konzern nun mit großem Aufgebot um Aufmerksamkeit.
Netflix legt sich mächtig ins Zeug, um seine neuen Eigenproduktionen in Europa populärer zu machen. Für mehrere hundert Journalisten wird in Paris groß aufgetischt: Ashton Kutcher! Kevin Spacey! Hauptdarsteller von Serien wie „Daredevil“, „Marco Polo“ oder „Orange is the New Black“ sind auch dabei, sowie das Team hinter dem Epos „The Crown“ über Königin Elizabeth II., das erst im November in den Netflix-Dienst kommt.
Nein, es gehe nicht darum, angesichts immer mehr Konkurrenz im Videostreaming die Muskeln spielen zu lassen, sagt Kommunikationschef Jonathan Friedland. Netflix wolle die Spannweite des Programms demonstrieren und auch europäischen Journalisten Zugang zu den kreativen Köpfen geben. In etwa einem halben Jahr sei die nächste Großveranstaltung dieser Art geplant, dann in Deutschland.
Doch es stimmt auch, dass Netflix mit dem weltweiten Start Anfang Januar die Planke für sich selbst höher gelegt hat. Bisher hatte der Dienst 75 Millionen Nutzer. Vor drei Monaten wurde Netflix aber auf einen Schlag in 130 weiteren Ländern verfügbar und kann jetzt nahezu überall auf der Welt abgerufen werden – bis auf China und Nordkorea und einige wenige andere Länder. Wenn in einer Woche die Quartalszahlen vorgelegt werden, kann Netflix also an einer gewaltigen Basis potenzieller Kunden gemessen werden. Und zugleich wird ein scharfer Rivale wie Amazon, bei dem große Teile des Videoangebots als Beigabe in der Prime-Mitgliedschaft stecken, immer aktiver auch bei eigenen Produktionen.
Ein guter Zeitpunkt für die Netflix-Chefetage, einen Werbe-Ausflug nach Europa zu machen, angeführt von Gründer und Chef Reed Hastings und seinem Programm-Boss Ted Sarandos, der in diesem Jahr fünf Milliarden Dollar für Inhalte ausgeben wird, davon mehrere hundert Millionen für Eigenproduktionen. Online-Fernsehen sei einfach besser, weil es Nutzern mehr Freiheiten gebe, bekräftigt Hastings abermals. Und Sarandos erzählt, wie er seinerzeit für „House of Cards“ mit Kevin Spacey sofort einen Deal für zwei Staffeln angeboten habe, ohne wie sonst bei Fernsehsendern üblich erst die Zuschauer-Reaktion auf eine Pilot-Folge abzuwarten. „Wir haben uns die Daten der beteiligten Autoren und Schauspieler bei den Nutzern angesehen – und es war klar, dass es ein Erfolg wird.“
Die Algorithmen, die bestimmen, was einem Nutzer als empfohlener Inhalt vorgeschlagen wird, preist Netflix als Geheimrezept im Hintergrund an. Wie gut sie funktionieren, wird permanent an der Akzeptanz bei den Kunden kontrolliert. „Wir haben einmal Filmkritiker mit ihren Empfehlungen gegen die Algorithmen antreten lassen“, sagt der zuständige Manager Todd Yellin. „Die Algorithmen haben gewonnen.“
Ashton Kutcher erzählte von seiner neuen Sitcom „The Ranch“, die mit vier Kameras live im Studio vor Publikum gedreht wird. Spacey unterhielt als Stargast das Publikum mit einer Anekdoten darüber, wie der von ihm in „House of Cards“ gespielte skrupellose US-Politiker Francis Underwood in China populär ist, weil er doch gegen Korruption kämpfe. Erst nach dieser Rolle hätten die Leute in China angefangen, ihn auf der Straße zu erkennen, sagt Spacey. Allerdings läuft die Serie dort bei anderen Anbietern und Hastings kann nach wie vor nicht sagen, wie lange die Verhandlungen mit chinesischen Behörden noch dauern werden. Und der Erfolg von „House of Cards“ ist für Netflix auch in Deutschland eher bittersüß: Die erste Produktion des Dienstes ist hierzulande wegen verkaufter Rechte zunächst beim Bezahlsender Sky zu sehen.
In Paris scheute Netflix keinen Aufwand, um die Europäer zu beeindrucken. Als Kantine wurde die Gefängnis-Dekoration aus „Orange is the New Black“ nachgebaut, samt der stilechten Metall-Teller. Und auch Frank Underwoods liebster Barbecue-Schuppen, in dem er sich seine Spare Ribs servieren lässt, fehlte nicht. [Andrej Sokolow/fs]
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