Am Bundesgerichtshof wird ein Urteil in einem sogenannten Leitentscheidungsverfahren zu einem massiven Datenleck bei Facebook getroffen werden. Eine erste Einschätzung macht Klagenden gegen Facebook Hoffnung.
Der Bundesgerichtshof hat am heutigen Montag in einer ersten Einschätzung zu erkennen gegeben, dass für ihn schon der Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten für eine Entschädigungsforderung ausreichen könnte. Nach Angaben der dpa habe der Vorsitzende Richter des sechsten Zivilsenats, Stephan Seiters, in Karlsruhe erklärt, dass der Schaden zwar nachgewiesen werden müsse, jedoch nicht etwaige immaterielle Schäden wie besondere Befürchtungen oder Ängste. Sein Urteil wolle der BGH aber erst später sprechen. Dieses Urteil ist entscheidend für zahlreiche andere Verfahren, die an deutschen Gerichten verhandelt werden.
Den Anlass bietet ein gravierender Vorfall bei Facebook. Dort wurden bereits vor Jahren durch eine nicht ausreichend sichere technische Lösung Daten von hunderten Millionen Konten ausgelesen und an anderem Ort veröffentlicht. Facebook hatte, wie die dpa berichtet, im Jahr 2001 gemeldet, die von sogenannten Scrapern genutzten technischen Mittel wolle man gar nicht grundsätzlich unterbinden, da diese für den Bedienkomfort von Nutzenden des Netzwerkes wichtig seien. Beim Scraping werden Daten systematisch-automatisiert gesammelt. Für das Abgreifen der Daten bestand nach Angaben von Facebook keine Erlaubnis durch den Konzern – wohl aber die Möglichkeit. Der Fall sorgte damals weltweit für Aufsehen und zog eine Vielzahl Prozesse gegen Facebook, das durch den Vorfall seine Nutzungsbedingungen verletzt sah, nach sich.
Facebook sieht keinen Schaden, BGH will prüfen
Zu den Daten, die automatisiert ausgelesen wurden, gehörte nach Angaben des BGH beispielsweise nicht offen sichtbare Telefonnummern, die mit Daten zu Nutzenden-ID, Vor- und Nachname, Land und Geschlecht kombiniert wurden. Facebook äußerte sich nach Informationen der dpa zu den Klagen: „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Scraping-Klagen unbegründet sind.“ Es liege für den Facebook-Dachkonzern Meta kein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung vor und es sei den betreffenden Menschen kein Schaden entstanden, der sich unmittelbar aus dem Vorfall ergebe. Der Rechtsanwalt Martin Mekat von der Kanzlei Freshfields wird von der dpa auch mit der Aussage zitiert, dass bei diesem Vorfall keine Facebook-Systeme gehackt worden seien. Der Aussage folgend, könnte man folgern, dass das massenhafte Abgreifen der Daten beziehungsweise die Möglichkeit dazu also technisch beabsichtigt gewesen sei.
Dagegen will der sechste Zivilsenat des Bundesgerichtshofes allerdings nun tatsächlich die Frage klären, ob „in der von der Beklagten bei Implementierung der sog. Kontakt-Import-Funktion vorgenommenen Standardvoreinstellung auf ‚alle‘ ein Verstoß der Beklagten gegen die Datenschutz-Grundverordnung im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegt“. In Bezug auf einen möglichen Schadensersatzanspruch gegen Facebook wolle man auch unter anderem prüfen, „ob der bloße Verlust der Kontrolle über die gescrapten und nunmehr mit der Mobiltelefonnummer des jeweiligen Betroffenen verknüpften Daten geeignet ist, einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen, wie in einem solchen Fall der Schaden zu bemessen wäre“ und „welche Anforderungen an die Substantiierung einer Schadensersatzklage nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu stellen sind“.
Erstes Leitentscheidungsverfahren nach Einführung
Der BGH sieht also die Möglichkeit, ein bestehendes Revisionsverfahren zu einem Urteil des OLG Köln zu dem Vorfall mit einem sogenannten Leitentscheidungsverfahren zum Abschluss zu bringen. Damit könnten viele Verfahren zur causa vereinheitlicht werden. Von denen seien nach Angaben der Facebook vertretenden Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zu über 85 Prozent abgewiesen worden. Nach übereinstimmenden Pressemeldungen handelt es sich bei dem aktuellen Vorgang um das erste Leitentscheidungsverfahren, da erst seit Oktober überhaupt die Möglichkeit hierzu besteht. Wie DIGITAL FERNSEHEN berichtete, ist dies nicht die einzige juristische Baustelle für Facebook beziehungsweise den Dachkonzern Meta.
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