Beim Wettrennen um die aktuellsten Nachrichten muss sich das Fernsehen immer öfter dem Internet geschlagen geben. Ganz vorne dabei: die sozialen Medien. Bei Nachrichten zählt allerdings nicht nur die Geschwindigkeit.
Wenn es um Schnelligkeit geht, können Fernsehsender mit sozialen Medien kaum mithalten. Gerade wenn dort Videos live von Ereignissen wie dem Putschversuch in der Türkei zu sehen sind, sind Facebook und Twitter dem Fernsehen oft voraus. „Die sozialen Medien sind natürlicher schneller. Auch CNN kann nicht mit Facebook Live mithalten“, sagte der Kommunikationswissenschaftler Julius Reimer vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg.
Dass das Erste am vergangenen Freitag einen „Tatort“ wiederholte, während auf Twitter und Facebook der Putschversuch in der Türkei bereits eine große Rolle spielte, sei aber keine Kapitulation vor den sozialen Netzwerken gewesen, sagte Kai Gniffke, der Erste Chefredakteur von ARD-aktuell, in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag).
„Schon während der „Tagesthemen“ haben wir erste Einschätzungen gegeben, anschließend die Zuschauer über Laufschrift auf dem Laufenden gehalten, den „Tatort“ für eine Extraausgabe unterbrochen und im Anschluss daran eine halbstündige Extrasendung gebracht“, sagte Gniffke. „Ich sehe uns nicht im Wettbewerb mit den sozialen Medien“, antwortete er auf die Frage, ob ein Hase-und-Igel-Wettlauf drohe. „Tempo ist für uns nichts Neues, und schneller als live geht nicht. Insofern ist die Beschleunigung nicht das Problem.“ Die Herausforderung liege eher in der Masse von Informationen, die mit Handy-Videos von Internetnutzern dazugekommen sei.
Medienforscher Reimer sieht hier ebenfalls ein Problem: In sozialen Netzwerken verbreiteten sich eben auch Gerüchte genauso schnell wie Fakten. Das gelte auch für falsche Videobilder.
Medien könnten in Fällen wie dem Putschversuch in der Türkei realistischerweise nicht sofort am Ort des Geschehens sein. Fernsehsender, auch ARD und ZDF, hätten nicht die Ressourcen, innerhalb von Minuten auf solche Ereignisse zu reagieren. Anders als die sozialen Medien müssten die Redaktionen Informationen und Videomaterial erst sichten, verifizieren und einordnen, sagte Reimer. „Mehr zu bringen als nur die Bilder, braucht etwas Zeit.“
Bei Handy-Videos etwa nach Terroranschlägen überprüfe eine Verifikationseinheit, ob das Material authentisch ist, sagte ARD-aktuell-Chef Gniffke der Zeitung. „Bleiben Zweifel an der Echtheit, machen wir das im Nachrichtentext deutlich oder verzichten auf das Material.“ Bei live gestreamten Videos gebe es aber nur die Entscheidung, senden oder nicht. „Streng genommen können wir gar nichts live übernehmen.“[dpa/kw]
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