Öffentliche Toiletten und die Touchscreen-Displays von Smartphones weisen die gleichen hygienischen Bedingungen auf. Abhilfe soll ein Display schaffen, das man zum Bedienen nicht berühren muss.
Der Siegeszug des Smartphones wäre ohne das Touchscreen-Display undenkbar. Einfach per Fingertipp auf dem Bildschirm die Nummer wählen oder eine Nachricht schreiben – unkomplizierter geht’s kaum. Hygienischer dagegen schon. Denn durch das ständige „Getouche“ sammeln sich Bakterien und Keime auf dem Bildschirm – Experten stufen das Smartphone als Infektionsquelle gar als genauso gefährlich ein wie öffentliche Toiletten. Wie wäre es also mit einem Display, das man beim Bedienen gar nicht mehr direkt berühren muss?
„Touchless“ nennen das die Forscher. Am Max-Planck-Institut (MPI) für Festkörperforschung in Stuttgart und der LMU München sind sie dem berührungslosen Display jetzt einen großen Schritt nähergekommen. Die Wissenschaftler haben Nanostrukturen entwickelt, die auf Feuchtigkeit ansprechen, die der menschliche Körper abgibt. Dabei machen sie sich eine Eigenschaft des Menschen zunutze, die im Alltag oft eher lästig ist: das Schwitzen. „Man muss allerdings gar nicht schwitzen, die normale Feuchtigkeit, die den Finger umgibt, reicht“, erklärt MPI-Forscherin Bettina Lotsch. Durch winzige Poren in der Haut gibt der Körper ständig Wassermoleküle ab. So reicht es, den Finger bis auf wenige Millimeter dem Display zu nähern, um ein Signal auszulösen – und so das Smartphone zu bedienen.
Grundlage der berührungslosen Displays ist Antimon-Phosphorsäure, ein bei Zimmertemperatur kristalliner Feststoff. „Von diesem Material weiß man schon länger, dass es Feuchtigkeit gut aufnehmen kann und dabei stark quillt“, erklärt Pirmin Ganter, Doktorand am MPI. Auf Feuchtigkeit reagiert diese Nanostruktur mit einer Farbänderung – der Nutzer sieht damit genau, an welcher Stelle des Displays sein Eingabesignal ankommt. Die Fähigkeit dieses Materials, Wassermoleküle einzulagern, war den Forschern zwar durchaus bekannt – doch nie zuvor beobachteten sie eine so starke und schnelle Farbänderung. „Die Antwort liegt im Millisekundenbereich“, sagt Lotsch. Wichtig für die Verwendung als Handybildschirm.
Verwenden lässt sich das „Touchless“-Display, wenn es nach den Forschern geht, aber nicht nur in Smartphones und Tablets. „Überall wo Menschen derzeit Displays berühren müssen, um zu navigieren, sind berührungslos arbeitende Bildschirme denkbar“, sagt Lotsch. So könnte die Technik bei medizinischen Geräten im Krankenhaus verhindern, dass sich Keime auf den Displays sammeln. Berührungslose Bildschirme wären aber auch bei Bank- und Fahrkartenautomaten oder der Gemüsewaage im Supermarkt denkbar.
Gerade an solchen öffentlichen Touchscreens ist die Belastung mit Bakterien besonders hoch, ergab etwa eine Untersuchung der Hochschule Niederrhein. Der amerikanische Mediziner Jeffrey Cane verglich Smartphones als Infektionsquelle gar mit öffentlichen Toiletten. Eine Studie im Fachblatt „Journal of Applied Microbiology“ kommt zu dem Schluss, dass sich nicht nur Bakterien, sondern auch 20 bis 30 Prozent der Viren durch eine Berührung auf einen Touchscreen übertragen lassen.
Bis berührungslose Displays ihren Weg auf den Massenmarkt gefunden haben, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Im Moment arbeiten die Forscher daran, wie sich die Nanostrukturen wirtschaftlich herstellen lassen. Auch fehlt noch eine Schutzschicht gegen Verschleiß. „Ab und zu berührt man den Bildschirm ja doch mal“, sagt Lotsch. Dabei muss die Schutzschicht die feuchtigkeitsempfindlichen Nanostrukturen vor chemischen und mechanischen Einflüssen schützen, aber trotzdem Feuchtigkeit für die Bedienung durchlassen. Lotsch ist sich allerdings sicher: „Es gibt Materialien, die das können.“[Simon Ribnitzky/kw]
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