Dass selbstfahrende Autos kommen sollen, gilt als sicher. Daher beginnen die Hersteller bereits jetzt damit, mögliche Probleme, die sich im Alltag des Straßenverkehrs ergeben könnten, zu lösen.
Autos, die nicht von allein fahren können, werde auf lange Sicht das Schicksal von Pferden ereilen, sagt Tesla-Chef Elon Musk. „Man wird nur aus sentimentalen Gründen eins besitzen“, prophezeite der Milliardär hinter dem Elektroauto-Hersteller jüngst die künftige Dominanz der Computer am Steuer.
Nun ist Musk, der seit Jahren versucht, dem Verbrennungsmotor auf der Straße Konkurrenz zu machen und in diesem Jahr gerade einmal gut 50.000 Autos baute, bekannt für markige Sprüche. Aber auch im Rest der Branche hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die Roboterwagen in den Alltag einziehen. „Selbstfahrende Autos werden kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagt Ralf Lenninger vom Autozulieferer Continental. Das Tempo, in dem sich die Industrie wandelt, zieht an.
Allein in den vergangenen Wochen überschlugen sich die Nachrichten. Toyota kündigte die Investition von einer Milliarde Dollar in die Arbeit an künstlicher Intelligenz für Fahrzeuge an. Die Gruppe französische PSA-Gruppe von Peugeot und Citroen gab bekannt, dass ihr selbstfahrendes Auto rund 3000 Kilometer von Paris nach Madrid fuhr. Tesla schaltete seine Autopilot-Software frei, mit der das Auto unter anderem Spur und Abstand zum vorderen Fahrzeug hält. Der chinesische Internet-Konzern Baidu stellte überraschend eigene selbstfahrende Autos vor. Und in der Schweizer Stadt Sion sollen im Frühjahr zwei autonom fahrende Busse den Betrieb aufnehmen.
Die Stimmung ist eindeutig: Beim autonomen Fahren geht nur noch um „wann“ und „wie“ und nicht mehr um das „ob“. Jetzt können sich die Anbieter auf das Lösen der neuen Probleme konzentrieren, die selbstfahrende Autos mit sich bringen, während sie andere – wie Unfälle durch menschliche Fehler – lösen.
Dazu gehört, die Rolle des Menschen am Steuer zu klären. Im Moment heißt es, der Fahrer solle jederzeit bereit sein, die Steuerung seines Automobils wieder selbst zu übernehmen. Aber genauso klar ist auch, dass es selbst erfahrenen Autofahrern schwer fallen wird, sich im Verkehrsgeschehen zurechtzufinden. Die Industrie sucht nach Antworten.
„Wir müssen erst einmal feststellen, ist der Mensch überhaupt in der Lage, wieder die Verantwortung zu übernehmen“, sagt Lenninger. Continental entwickelt deshalb Systeme zur Fahrerbeobachtung. Dabei kommen Kameras zum Einsatz, aber auch die Position im Sitz wird ausgewertet. Aus den Daten wird eine Reaktionszeit prognostiziert. Sie kann extrem gering sind – aber auch bei 13 bis 15 Sekunden liegen, wenn der Mensch am Steuer eingenickt sein sollte. Für solche Fälle wird ein „Notfallprogramm“ benötigt – zum Beispiel, dass das Auto einen Warnblinker einschaltet und an den Straßenrand fährt.
Der Internet-Riese Google, der seit 2009 an selbstfahrenden Autos arbeitet, entschied sich für eine radikalere Lösung. Die zukünftigen Google-Autos sollen ganz ohne Pedale und Lenkrad auskommen und die Kontrolle komplett beim Computer liegen.
„Es war eine schwierige Entscheidung“, räumt Chefentwickler Chris Urmson ein. „Aber wenn sie in einem Auto sitzen, dass die ganze Zeit von allein alles richtig macht, schwindet Ihre Aufmerksamkeit. Wenn Sie sich dann plötzlich ins Verkehrsgeschehen einschalten müssen, haben Sie nicht den Überblick über die Situation, wie Sie ihn üblicherweise hätten.“
Daraus entsteht auch die nächsten Fragen: Wie soll sich ein Computer in einer nicht mehr vermeidbaren Unfall-Situation verhalten? Wen soll er zuallererst schützen? Google will dieses auch ethische Problem mit Algorithmen lösen. „In unserem Fall versucht das Auto zuallererst, Fußgängern und Radfahrern auszuweichen“, sagt Entwickler Urmson. „Dann vermeidet es den Kontakt mit anderen fahrenden Fahrzeugen. Und erst an dritter Stelle kommen stillstehende Objekte wie Bäume.“
Der schwedische Autobauer Volvo, inzwischen in chinesischer Hand, preschte jüngst mit einem radikalen Lösungsvorschlag für eine damit verbundene zentrale rechtliche Frage vor. Volvo will bei eventuellen Unfällen mit seinen selbstfahrenden Fahrzeugen die volle Haftung übernehmen. Nach bisherigen Regelungen sind die Fahrer am Steuer verantwortlich. Die Bundesregierung fordert in einem Strategiepapier, Verkehrsregeln und Haftung anzupassen – und auch die Fahrausbildung.
Bei Continental hofft man auf die Fähigkeit der Software, Unfälle zu vermeiden. „Wenn ich ein selbstfahrendes Auto habe, werde ich in eine solche Situation gar nicht erst kommen“, sagt Lenninger. „Das ist ja schließlich der Gag am selbstfahrenden Auto.“ [Andrej Sokolow/am]
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