Dass Produktankündigungen und tatsächlich in Deutschland ausgelieferte TV-Modelle beim koreanischen Hersteller LG Electronics zweierlei sind, hat DIGITALFERNSEHEN.de anhand zahlreicher PR-Nullnummern bereits am Montag dokumentiert. Heute geht es um den aus dem Verkehr gezogenen LW980S und nachträglich beschnittene Funktionen.
Alles anders und doch gleich
2011 sollte mit Cinema 3D die größte Umstellung in der noch jungen 3D-TV-Geschichte erfolgen: LG stattete alle LED-LCD-Fernseher statt mit der eingeführten Shutter-Technik fortan mit der auflösungsreduzierten Polfiltertechnologie aus, die das störende Übersprechen verminderte, allerdings nur, wenn Zuschauer nicht ober- oder unterhalb auf die Bildschirmfläche schauen. Für LG ebenfalls von großem Vorteil: Während Sie mit einem 3D-Shutterfernseher zwingend auf eine perfekte Bildverarbeitung sowie schnelle Panel angewiesen sind, damit Crosstalk im 3D-Betrieb reduziert wird, liefert die Polfiltertechnologie auch mit LCD-Panels geringerer Qualität eine 3D-Darstellung ohne Doppelkonturen – das vermeidet den Einsatz kostspieliger Hardware.
Die Vorteile des Cinema 3D-Verfahrens wurden nicht nur innerhalb einer abgestimmten Marketingkampagne nach außen getragen (der eingeschränkte Blickwinkel und der Auflösungsverlust spielten in LGs Darstellung keine Rolle und wurden verschwiegen), sondern auch exklusive Berichterstattungen in Fachmedien sowie von LG initiierte Vergleichstests mit Konkurrenzprodukten von Samsung und Sony schürten weiter die Überlegenheit des Polfilter-3D-Verfahrens.
Als Gegenentwurf zu LGs These stellte die Testredaktion der HD+TV einen aufwändigen Gegenvergleich an. Das Resultat: Bei LED-LCD-Fernsehern mit vergleichbarer 3D-Helligkeit und unter Ausschluss von externen Faktoren zogen viele Testpersonen das Shutter-Verfahren der Polfiltertechnik vor – der Auflösungsgewinn sowie die bessere Bewegtbildschärfe der High-End-Shutter-Fernseher stachen die Polfiltermittelklasse-LED-LCDs sichtbar aus.
Geschichte wiederholt sich
Gespannt wartete unsere Testredaktion auf das letztjährige Topmodell LW980S, das Ende 2011 bereits in ausländischen Testmedien sowie in ausgewählten deutschen Fachmagazinen mit einer Wertung versehen wurde. Nur wenige Tage nach der offiziellen Markteinführung zog LG Deutschland den LW980S jedoch aus dem Verkehr, weder Testmuster noch weitere Lieferungen in den Handel fanden statt. Eine schriftliche Erklärung für dieses ungewöhnliche Vorgehen lieferte LG nicht, es bleiben lediglich Spekulationen, wonach die LED-Beleuchtung nicht in allen ausgelieferten Modellen die beworbene LED-Zonenanzahl erfüllt.
Auf der Internettestseite digitalversus.com spricht ein Tester von einer abgespeckten Version speziell für den europäischen Markt, die im Vergleich zur nahezu identischen koreanischen Version über bedeutend weniger LED-Zonen zur Dimmung verfüge. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass LG, um negative Presse zu vermeiden, das Modell vorschnell aus dem Verkehr gezogen hat, nachdem die Vergleichstests publik wurden. Den ausführlichen Sachverhalt zum LW980S lesen Sie unter http://www.digitalversus.com/lg-lw980s-tv-dead-water-n21867.html.
Nimmt man die Vorankündigungen der CES 2012 als Maßstab und bezieht die exzellenten IPS-Panels aus LGs Massenmarktproduktion mit ein, so gibt es in diesem Jahr kaum einen Hersteller, der auf eine größere Vorfreude seitens der Konsumenten blicken kann. Der Rückblick auf die vergangenen Jahre stimmt dagegen deutlich misstrauischer, da LG auf dem deutschen Markt oftmals nicht das bestätigen konnte, was auf Messen vollmundig versprochen wurde.
Und auch die aktuellen Entwicklungen aufseiten der Software der Fernseher stimmt nachdenklich: So wurden importierte Skype-Videokameras anfangs noch akzeptiert. Wer seinen LG-Fernseher allerdings mit einem aktuellen Update versehen hat, kann die Zusatzkamera nicht länger nutzen. Auf Nachfrage bestätigte LG, dass Skype-Kameras aus dem eigenen Portfolio für LG-Fernseher in Deutschland nie offiziell unterstützt wurden und deshalb auch keine Garantie übernommen werde – weshalb die Funktion bei Auslieferung der Fernseher unterstützt und erst nach einem Softwareupdate deaktiviert wurde, bleibt aber das Geheimnis des Herstellers.
Somit gilt es in den nächsten Wochen und Monaten die Produktentwicklungen genau zu studieren und anhand von objektiven Tests die Vor- und Nachteile zu analysieren. Sollte LG 2012 mit dem OLED-TV auch hierzulande die LED-LCD-Technologie in Rente schicken, könnte der Hersteller beim hiesigen Fachpublikum das zurückgewinnen, was in den letzten Jahren zunehmend verloren ging: Vertrauen.
[Christian Trozinski/Dennis Schirrmacher]
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