
Leipzig/München – Zertifiziert wird nahezu überall, wenn es um die Einhaltung bestimmter Standards geht. Digitales Fernsehen ist hier keine Ausnahme.
Sky, HD Plus, Eutelsat-DVB-T – die Liste der Plattformen, die die für ihre Angebote eingesetzten Receiver an die Einhaltung bestimmter Mindeststandards knüpfen, ist lang. DIGITAL FERNSEHEN hat sich den Zertifizierungsprozess bei Kabel Deutschland, Deutschlands marktmächtigsten Kabelmonopolisten, einmal näher angesehen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, da wir ja kein Hersteller von Kabel Deutschland geeigneten Receivern sind.
Kabel Deutschland stellt jedem Digitalhaushalt während der Nutzungszeit einen Digitalreceiver zur Verfügung. Der Kundenbedarf nach weiteren Digitalreceivern hält sich deshalb stark in Grenzen – zumal man hierfür auch noch eine weitere kostenpflichtige Smartcard benötigt.
So unterscheidet sich der Receivermarkt für Kabel-TV in Deutschland grundlegend von dem für Satelliten oder DVB-T: Anders als für den Satellitenempfang gibt es derzeit beim Kabelfernsehen zwar einige (Receivermodelle), die sich die Kunden im Handel kaufen können, doch wer macht das schon, wenn er vom Kabelnetzbetreiber eine zumeist kostenlose Set-Top-Box für die Laufzeit seines Abos zur Verfügung gestellt bekommt.
Damit kann der Kabelnetzbetreiber Einfluss darauf nehmen, welche Set-Top-Boxen in seinen Netzen eingesetzt werden. Das trifft natürlich auch für andere Plattformen zu – doch spätestens wenn Plattformbetrieb, Infrastruktur (das Kabelnetz), Kundenzugang und die eingesetzte Technik mehr oder weniger in einer Hand liegen, ist das ein Fall für den Regulierer.
Plattformbetreiber wie Kabel Deutschland werden der Regulierung der Landesmedienanstalten unterworfen, die u.a. dafür sorgen, dass bestimmte Programme ins Kabelnetz eingespeist werden. Das gilt teilweise auch für die eingesetzte Technik, insbesondere beim Punkt des digitalen Zugangs (CA).
Die Receiver in den Netzen der Kabel Deutschland müssen bestimmte Anforderungen erfüllen, sonst erhalten diese Geräte nicht das KDG-Siegel. Dazu gehört Themen wie Jugend- und Kopierschutz. Die potenziellen Hersteller erhalten ein „Pflichtenheft“, in dem die Anforderungen an den Receiver zusammengefasst sind. Erst wenn diese Anforderungen umgesetzt sind, darf ein Receiver das Label „geeignet für Kabel Deutschland“ tragen.
Mit der Selbstzertifizierung geben die Hersteller Kabel Deutschland geeigneter Set-Top-Boxen ein Versprechen ab – ihre Set-Top-Boxen sollen mit Aufdruck die KDG-Spezifikationen auch tatsächlich erfüllen. Kabel Deutschland setze bei KDG-zertifizierten Receivern generell voraus, „dass die Receiver-Hersteller die Selbstzertifizierung durchlaufen haben und die Mindestanforderungen erfüllen“, so ein Sprecher des Kabelnetzanbieters gegenüber DF.
Wer jedoch nur die öffentlich-rechtlichen Programme in HDTV zu Olympia sehen will, kann sich aber auch jeden anderen Kabel-HDTV-Receiver kaufen, denn die öffentlich-rechtlichen Programme werden bei Kabel Deutschland anders als die Privatsender ohne Grundverschlüsselung übertragen – digitaler Kabelanschluss natürlich vorausgesetzt. Doch Vorsicht: Wer diesen Receiver ohne KDG-Siegel dann mit einer Smartcard bestücken will, um die Sender zu sehen, die er mit seinem Abo auch bezahlt, braucht ein KDG-geeignetes Gerät: „Wenn die Geräte kein KDG-Siegel haben, geben wir keine Karten raus“, so ein KDG-Mitarbeiter zu DF.
Durch das Prinzip der Selbstzertifizierung kann jeder Hersteller „für Kabel Deutschland geeignete Receiver“ anbieten. Kabelnetzbetreiber wie Kabel Deutschland (KDG) kaufen jedoch in großen Stückzahlen bei wenigen Herstellern Set-Top-Boxen ein. Diese stellen sie dann den Kunden während der Vertragslaufzeit vielfach kostenlos zur Verfügung.
Wer als Hersteller keinen Großauftrag von Kabel Deutschland bekommt, dem hilft auch die Selbstzertifizierung wenig. Große Stückzahlen wie Auftragnehmer bei der Kabel Deutschland werden diese Hersteller kaum ereichen. Um einen solchen Auftrag zu erhalten, muss der Hersteller bei einer reversen Auktion mitmachen, sofern er zur Angebotsabgabe eingeladen wird. Bei dieser Auktionsart fällt der Preis mit jedem Gebot. Der Hersteller, der dabei die für Kabel Deutschland günstigsten Konditionen bereithält, hat die Auktion gewonnen. Jedoch ist dann noch nicht garantiert, dass die KDG bei diesem Hersteller tatsächlich auch eine Großbestellung auslöst, wie DF aus mit dem Ablauf vertrauten Kreisen erfuhr.
Das Bundeskartellamt hegt gegenüber der Boxenpolitik von Kabel Deutschland den Verdacht auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Bereits seit 2008 läuft dazu ein Verfahren gegen den Netzbetreiber. Es bestehe der Verdacht, dass die technische Ausstattung der Set-Top-Boxen dazu führe, dass der Wettbewerb auf den Kabel-TV und Pay-TV-Märkten unter anderem durch Kabel Deutschland behindert werde, erklärte eine Sprecherin des Kartellamts zu Beginn des Verfahrens gegenüber DF. Somit seien Verbraucher zum Beispiel bei einem Umzug gezwungen, neue Set-Top-Boxen zu kaufen.
Das Verfahren läuft weiter (DF berichtete). Die Ankündigung von Kabel Deutschland, künftig seine Programmpakete auch über CI-Plus-Module empfangbar zu halten, hat daran bislang nichts geändert. [ar]
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