Das Bundeskartellamt hat in seiner vorläufigen rechtlichen Bewertung wettbewerbliche Bedenken gegen die geplante Übernahme des baden-württembergischen Kabelnetzbetreibers Kabel BW durch den Medienkonzern Liberty Global geäußert. Die endgültige Entscheidung soll am 15. Dezember fallen.
Die Regulierungsbehörde ist nach bisheriger Prüfung der Ansicht, dass der Zukauf von Kabel BW ein marktbeherrschendes Oligopol auf dem bundesweiten Gestattungsmarkt verstärken würde, hieß es in einer Mitteilung von Donnerstag.
Das Bundeskartellamt hält eine deutschlandweite Belieferung von Liegenschaften mit einer Vielzahl von Wohneinheiten, insbesondere von Wohnungsbaugesellschaften, mit dem TV-Signal über das Breitbandkabelnetz sowohl für technisch möglich als auch für wirtschaftlich rentabel. Derzeit würden die drei großen deutschen Kabelnetzbetreibern Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW außerhalb ihrer jeweiligen Verbreitungsgebiete jedoch nicht im Wettbewerb um Gestattungsverträge stehen. Infolge des Zusammenschlusses zwischen Liberty Global, zu dem auch Unitymedia gehört, und Kabel BW würde sich das Oligopol von drei auf zwei Unternehmen verengen. Unter diesen Umständen wäre es in Zukunft noch unwahrscheinlicher, dass die verbleibenden Unternehmen KDG und Unitymedia/Kabel BW in Wettbewerb zueinander treten.
Die Behörde hat außerdem wettbewerbliche Bedenken in Bezug auf den Einspeisemarkt geäußert, das heißt im Verhältnis der Kabelnetzbetreiber zu den TV-Sendern, die auf die Einspeisung in jedes regionale Netz angewiesen sind. Die beiden Unternehmen sowie eingeweihte Dritte haben nun Zeit zu den Bedenken des Bundeskartellamtes Stellung zu nehmen. Die Frist für eine abschließende Entscheidung ist bereits am Wochenende bis zum 15. Dezember verlängert worden.
Um den milliardenschweren Deal zu retten, haben Liberty Global und der Kabelnetzbetreiber Kabel BW dem Kartellamt am Wochenende ein „Zusagen-Angebot“ unterbreitet. Wie genau dieses aussehe, wollten die beiden Unternehmen jedoch nicht verraten (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete). Zu diesem Zusagen-Angebot hat sich die Behörde bisher nicht geäußert. In einem Markttest soll ermittelt werden, ob die Zusagen geeignet sind, um die wettbewerblichen Bedenken auszuräumen. Zudem werde die Behörde auch zu dem Zusagen-Angebot weitere Stellungnahmen der Beigeladenen und sonstiger Marktteilnehmer einholen.
Im März hatte der US-Kabelkonzern die Absicht erklärt, Deutschlands drittgrößten Kabelnetzbetreiber zu einem Preis von 3,16 Milliarden Euro zu übernehmen. Liberty hatte unter anderem eine Offerte des Finanzinvestor CVC aus dem Feld geschlagen (DIGITAL FERNSEHEN berichtete).
Infolge dessen war der Fall erst vor die Europäische Kommission gegangen, die die geplante Übernahme jedoch entspreche der allgemeinen Verweisungspraxis an das Bundeskartellamt abgegeben hatte. Bereits die Europäische Kommission hatte nach vorläufiger Untersuchung geäußert, dass die geplante Übernahme von Kabel BW den Wettbewerb auf dem Markt für Free-TV-Endkundendienste für Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland erheblich zu beeinträchtigen drohe. Obwohl die regionalen Kabelbetreiber gegenwärtig nicht miteinander im Wettbewerb stünden, könne nicht ausgeschlossen werden, dass dies auf eine Abstimmung der Betreiber untereinander zurückzuführen sei.
Unerwarteter Fürsprecher für die Übernahme ist Konkurrent Kabel Deutschland. „Wir brauchen einen Wettbewerb auf Augenhöhe mit der Deutschen Telekom. Deshalb sehen wir auch die Übernahme von Kabel BW durch Unitymedia durchaus positiv, da sie den Infrastrukturwettbewerb stärken würde“, sagte der KDG-Vorstandsvorsitzende Adrian von Hammerstein. Nach Einschätzung des Managers fördert eine Konsolidierung im Kabelmarkt die Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Infrastrukturen (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete).
Kritisich steht dem Vorhaben dagegen der Medienkonzern ProSiebenSat.1 gegenüber. Thomas Ebeling, CEO der ProSiebenSat.1 Media AG, hatte bei der Präsentation der Zahlen für das erste Halbjahr sowie das zweite Quartal 2011 erklärt, er bevorzuge einen stärker fragmentierten Markt. „Wenn es neben Google, einem Satellitenbetreiber, den Öffentlich-Rechtlichen und den führenden Media-Agenturen in Zukunft nur noch zwei Kabelnetzbetreiber gibt, kann man schon davon reden, dass wir von Monopolisten umgeben sind“, sagte Ebeling (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete).
Liberty selbst war im September noch davon ausgegangen, dass das Kartellamt der geplanten Übernahme zustimmt. Mike Fries, Präsident und CEO der Europatochter Liberty Media hatte sich bezüglich der laufenden Prüfungen durch das Bundeskartellamt optimistisch gezeigt. Ein Sprecher der Behörde hatte dagegen von einer „offenen Entscheidung“ gesprochen.
Update 12.46 Uhr: Hintergrundinformationen hinzugefügt[js]
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