„Der erste Mensch im Weltraum!“ – mit diesen einfachen Worten verkündete die kommunistische Presse am 12. April 1961 kühl ein Ereignis, das die ganze Welt bewegte. Der historische Flug des Kosmonauten Juri Gagarin (1934-1968) liegt fast auf den Tag genau 50 Jahre zurück.
Nach einem Gagarin-Jubiläumsflug folgt nun eine Fernsehschalte zur Internationalen Raumstation ISS – dem Außenposten der Menschheit. Der Erinnerungsjubel bringt aber vor allem auch die Sehnsucht nach neuen Weltraumabenteuern ans Licht. Die auf ihre Tradition so stolze Raumfahrtnation Russland ist zum Jahrestag des Gagarin-Flugs jedoch alles andere als in Feierlaune.
Nach der aus technischen Gründen verspäteten Gagarin-Jubiläumsexpedition einer bemannten „Sojus“-Raumkapsel muss der Chef der Weltraumagentur Roskosmos, Anatoli Perminow, wohl nun seinen Posten räumen. Das ist aber nicht die einzige Panne in jüngster Zeit. Auch die Komplettierung des russischen Navigationssystems Glonass ist nach dem Absturz von drei Satelliten nicht in Sicht.
Fast wehmütig erinnert Moskaus Presse angesichts dessen an die guten alten Zeiten. Die Raumfahrterfolge Moskaus sind etwa auch im Kosmonauten-Museum der russischen Hauptstadt überliefert: der „Sputnik“-Schock für den Westen, als die Sowjetunion 1957 als erste Nation einen künstlichen Erdtrabanten ins All schießt. Doch den Höhepunkt erlebt die Welt am 12. April 1961.
Wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag hebt der sowjetische Pilot Gagarin um 9.07 Uhr Moskauer Zeit mit einer „Wostok“-Rakete ab. Auf dem Weltraumbahnhof in der kasachischen Steppe weht ein lauer Frühlingswind. „Nu pojechali!“, ruft Gagarin, „Los geht’s!“ – im vollen Bewusstsein, dass die Reise auch tödlich enden kann, wie ein nun erstmals veröffentlichter Abschiedsbrief an seine Frau und Töchter zeigt. Um 10.55 Uhr landet er unbeschadet in dem Ort Smelowka im Gebiet Saratow – als Held der Sowjetunion.
„Der Kolumbus des Kosmos!“ – jubeln die Zeitungen damals. Und sie loben Gagarins Heldentat als neuen Ansporn für den Aufbau des Kommunismus. Allerdings weist etwa der Journalist Anton Perwuschin in seinem neuen Buch „108 Minuten, die die Welt veränderten“ darauf hin, dass Gagarin von den kommunistischen Machthabern vor allem für eine Propagandaschlacht gegen den Westen genutzt wurde. Die Identität des Chefkonstrukteurs und Raketenbauers Sergej Koroljow dagegen wird damals wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Dabei gilt gerade Koroljow als das Superhirn, das im Wettlauf zu den Sternen die USA aussticht.
Wenige Wochen nach Gagarin fliegt Alan Shepard als erster US-Amerikaner ins All. Doch erst 1969 schaffen die Amerikaner im Wettrennen der Systeme mit der Mondlandung von Neil Armstrong einen echten Coup. Am 12. April 1981 schicken sie mit dem Space Shuttle die erste Raumfähre ins All.
Für die Sowjetunion hingegen beginnt Mitte der 1980er Jahre mit dem Machtantritt von Michail Gorbatschow eine Zeit einschneidender politischer Umbrüche und finanzieller Not. Die Weltraumforschung blutet aus. Dank hoher Rohstoffpreise besinnt sich das gas- und ölreiche Russland erst heute wieder so richtig auf seine Tradition. Eindringlich sind zum Gagarin-Jubiläum daher auch die Appelle für einen Aufbruch zu neuen Weltraum-Abenteuern.
Nötig sei etwa ein „ambitioniertes Programm zur Erkundung des Mondes“, um das Feld nicht China oder den USA zu überlassen, sagt der Leiter des Kosmonauten-Ausbildungszentrums, Sergej Krikaljow. Ähnlich wie in den USA nun die Space Shuttles eingemottet werden, brauche auch Russland endlich einen „würdigen Ersatz“ für seine schon seit 1967 eingesetzten „Sojus“-Raumkapseln. Krikaljow sieht auch die Zeit gekommen, im All selbst die Infrastruktur auszubauen, um Kosten und Wege zu sparen – etwa mit einem eigenen Kosmodrom.
Bisher starten russische Raketen vom Weltraumbahnhof Baikonur in der Ex-Sowjetrepublik Kasachstan, wo hohe Pachtgebühren anfallen. Im äußersten Osten Russlands ist nun ein neuer Weltraumbahnhof in Wostotschny im Bau – zusätzlich zu dem vor allem für militärische Zwecke genutzten in Plessezk im Norden Russlands.
Die Kritik, dass es in der russischen „Kosmonautik“ zu wenig neue Projekte gebe, hält Krikaljow für berechtigt. „Gründe dafür gibt es viele – die Krise der 1990er Jahre und der Abgang zahlreicher Spezialisten.“ Vieles sei im Planstadium hängengeblieben. Bis heute fehle es an klaren Prioritären und Aufgaben für die russische Weltraumforschung. Und auch die Bezahlung der Ingenieure sei unzureichend. Der Weltraumexperte Viktor Chartow fordert zudem viel mehr Investitionen in die Entwicklung von Robotern.
Chartow, Chefkonstrukteur und Generaldirektor des Forschungs- und Entwicklungszentrums Lawotschkin, hält es für verfrüht, über einen bemannten Mars-Flug nachzudenken. „Das ist totaler Unsinn“, sagt er, während in einem Labor in Moskau bei dem Experiment Mars500 sechs Freiwillige in Isolation eine Reise zum Roten Planeten simulieren. Bei einer Marsmission könne ein Roboter alle Aufgaben erledigen, sagt er. Ein bemannter Flug zum Mars hingegen mache nur Schwierigkeiten, weil Raumfahrer Nahrung, Wasser und Sauerstoff brauchen.
Zum Jubiläum von Gagarins Flug nimmt das größte Land der Erde daher vor allem den Mond weiter ins Visier. In fünf bis zehn Jahren könne Russland eine bemannte Mondexpedition schaffen, sagt Krikaljow der Zeitung „Iswestija“. Der Chefastronom bei der russischen Akademie der Wissenschaften, Andrej Finkelstein, sieht gute Chancen, dass bis spätestens 2030 auf dem Mond ein Observatorium steht. „Das ist keine Fantasie“, betont er. Von dort aus lasse sich am besten nach anderen Planeten und außerirdischen Zivilisationen suchen. [Ulf Mauder/ar]
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