Vom Hersteller geplanter Verschleiß ist bei Geräten der Unterhaltungselektronik ein ständiges Thema, welches auch die Gemüter der Konsumenten immer wieder erhitzt. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit dem Betriebswirt Stefan Schridde von der Initiative „Murks? Nein danke!“ über die Tricks der Industrie, fehlende Reparierbarkeit und den Druck des Marktes.
Herr Schridde, Sie haben im letzten Jahr die Initiative „Murks? Nein danke!“ ins Leben gerufen, die sich als Ziel gesetzt hat, nachhaltige Produktqualität und Produktverantwortung zu sichern. Durch welche Maßnahmen wollen Sie der geplanten Obsoleszenz entgegenwirken?
Stefan Schridde: „Murks? Nein Danke!“ setzt sich als bürgerschaftliche Organisation für nachhaltige Produktqualität ein, das heißt: Optimale Nutzbarkeit, einfache Reparierbarkeit, freie Ersatzteilversorgung, regionale Servicedienste, bessere Garantiezeiten, nachhaltige Ressourceneffizienz und ethische Kreislaufwirtschaft. In unserem Handlungsprogramm haben wir mehr als 75 Maßnahmen gegen geplante Obsoleszenz benannt. Den aktuellen Schwerpunkt legen wir auf eine breite öffentliche Debatte und Aufklärung. Dabei freuen wir uns über die breite fachliche Anerkennung und konstruktive Arbeitsebenen mit fast allen Parteien im Bundestag, sowie dem Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen, dem Umweltbundesamt, dem Bundesumweltministerium und vielen Hochschulen.
Bisher dachte der betroffene Käufer, er sei ein Einzelfall, der an eine vermeintliche Montagsproduktion geraten sei. Dem setzen wir unsere Kampagne entgegen und nehmen den Hersteller in die ihm zustehende Produktverantwortung und den Handel in die Sortimentsverantwortung.
Wie stark verbreitet ist die absichtliche Verwendung qualitativminderwertiger Bauteile bei Geräten aus dem Segment derUnterhaltungselektronik wie etwa Fernsehern oder Set-Top-Boxen, um sodie Lebensdauer der Produkte absichtlich zu verkürzen?
Schridde: Diese Methoden sind nahezu überallverbreitet. Meistens handelt es sich um Bauteile, bei denen die deutlichhaltbareren Alternativen noch nicht einmal einen Cent mehr kosten. DieSchwachstellen sind so offensichtlich, dass der Fachmann von Absichtausgehen muss. Zwar gibt es noch wenige, meist mittelständischeinhabergeführte Produzenten in unserem Land mit langlebigerProduktqualität.
Doch bei nahezu allen internationalen Konzernen der Unterhaltungselektronik finden wir zahllose Produktbeispiele für gewollte Unterlassungen in der Produktentwicklung, die zu leichter oder grob fahrlässiger Obsoleszenz führen. Neben minderwertigen Bauteilen finden wir auch fehlende Reparierbarkeit, stark eingeschränkte Ersatzteilversorgung und Ersatzteilwucher sowie funktionelle Obsoleszenz. In zunehmend gesättigten Märkten mit großen Absatzschwierigkeiten beschleunigt sich dieses Vorgehen und wird unter den Herstellern kopiert.
Der Handel unterstützt diesen Trend, da er seine Sortimentskompetenz nicht dazu nutzt, Produkte mit verkürzter Haltbarkeit auszulisten. Man setzt gemeinsam auf eine Verkürzung der Wiederbeschaffungszyklen, um so höhere Umsatzrenditen zu erzielen.
Was raten Sie Käufern, die sich bald neue Unterhaltungselektronik wie eine Set-Top-Box oder ein TV-Gerät anschaffen wollen? Können Laien überhaupt anhand bestimmter Faktoren vorher feststellen, ob es sich eventuell um ein Gerät handelt, das nicht über die Garantiezeit hinausgeht?
Schridde: Man sollte nur Produkte kaufen, bei denen man sich zuvor von deren Reparierbarkeit durch freie Reparaturdienste überzeugt hat. Leider fehlen heute geeignete Kennzeichnungspflichten, die auf fehlende Reparierbarkeit, fehlende Ersatzteilverfügbarkeit für mindestens fünf Jahre, festverbaute Akkus oder minderwertige Bauteile aufmerksam machen. In vielen Fällen lohnt sich der Kauf von günstigen Re-Use-Produkten, bei denen oft durch kompetente regionale Unternehmen gebrauchte Produkte durch verbesserte Ersatzteile aufgewertet werden. Auch der Handel freut sich hier über höhere Spannen.
Welche Forderungen stellen Sie konkret an Hersteller von Unterhaltungselektronikprodukten?
Schridde: Hersteller müssen aufhören, am Markt vorbei zu produzieren, in dem sich die Gesellschaft zu einer Kreislaufgesellschaft entwickeln will. Nachhaltige Produktverantwortung ist ein wirksames Bekenntnis, dass jedes Unternehmen im globalen Wettbewerb robuster werden lässt. Durch verbesserte Haltbarkeit erreicht man auch eine höhere Kundenbindung. Produkte sollten für mehrere Nutzungszyklen nutzbar sein. Ihre Komponenten sollten danach für nachfolgende Zerleger und Verwerter zu einer wertvollen Ressourcenquelle werden.
Wir brauchen keine Innovationen, die Nutzungszyklen verkürzen. Warum müssen erst tausende europäische Beamte eine Öko-Design-Richtlinie entwickeln, damit Hersteller ihre bereits vorhandene Kompetenz dazu nutzen, nachhaltige Produktqualität zu gewährleisten? Hersteller, denen an ihrer Glaubwürdigkeit gelegen ist, sollten sich bereits jetzt freiwillig dazu verpflichten und die Einhaltung für Dritte prüfbar machen.
Der Handel muss zurückfinden zu seiner gesellschaftlichen Aufgabe, mit Einkaufskompetenz für ein wettbewerbsfähiges Sortiment zu sorgen, das keine Positivlabel mehr braucht, damit der Kunde darin gute Produkte findet. Verliert der Handel seine Reputation durch einzelne Produkte mit geplanter Obsoleszenz, so hat dies direkte Wirkung auf das Gesamtsortiment.
Vielen Dank für das Gespräch.[red]
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