Seit 2008 arbeitet das Linux-Betriebssystem Enigma2 im TV-Bereich. Ein Ende ist dabei nicht in Sicht, denn immer mehr Hersteller springen auf den Enigma-Zug auf. Das Open-Source-System entwickelt sich rasant weiter und erobert schleichend den Markt.
Der Markt für Digitalreceiver ist definitiv schwierig geworden. Schuld sind nicht nur moderne TV-Geräte, die in der Regel von Haus aus mit allen Empfangsmöglichkeiten ausgestattet sind, sondern auch die allgemeine Sättigung, die nach der Analogabschaltung des Satellitenfernsehens 2012 und dem damit verbundenen Rekordabsatz noch immer nachwirkt. Besonders im Hochpreissegment tun sich deshalb abseits großer Namen wie Kathrein, Humax und Samsung immer mehr Hersteller und Geräte schwer.
Doch es gibt eine Ausnahme: Sie hört auf den Namen Enigma2 und ist weder Hersteller noch Gerät sondern ein Betriebssystem auf Open-Source-Basis. Eingeführt wurde das Linux-basierte Enigma2 ursprünglich 2008 vom Hersteller Dream Multimedia für die Dreambox-Receiver und -Videorekorder, die sich in den Folgejahren zu echten Verkaufsschlagern im Premium-Segment entwickelt haben. Doch da es sich um Open-Source-Software handelt, blieb das Betriebssystem nicht lange auf die Geräte von Dream beschränkt. Andere Hersteller adaptierten die Hardwarestruktur der Dreamboxen und entwickelten diese im Laufe der Jahre weiter.
Der Clou an Enigma2: Die Open-Source-Software kann von unabhängigen Entwicklern nach allen Regeln der Kunst erweitert und umgeschrieben werden. Die Folge ist ein seit Jahren organisch gewachsenes System, welches sich durch eine nahezu unbegrenzte Flexibilität auszeichnet. In den vergangenen Jahren wurden so unter anderem Set-Top-Boxen von VU+, Gigablue und Xtrend zu echten Kassenschlagern für die Hersteller. Was technisch möglich ist, wird umgesetzt
Der Erfolg kommt dabei nicht von ungefähr: Die Entwicklung der Software schreitet mit unaufhaltsamem Tempo voran. Neuerungen werden wesentlich schneller implementiert als auf anderen TV-Systemen, die von den Herstellern selbst gepflegt werden. Dabei spielt es längst keine Rolle mehr, ob es sich um Smart-TV-Funktionen, Streaming, IPTV, Aufnahmen, Drehanlagensteuerung oderMultiroom-Systeme handelt – was technisch möglich ist, wird mit Enigma2 umgesetzt und das in der Regel sogar schneller und umfassender als auf den TV-Plattformen großer Hersteller wie Samsung, LG oder Sony. Damit behalten die Enigma2-Receiver bislang auch im Schatten der modernen Smart TVs mit eigebauten Tunern weiterhin ihre Existenzberechtigung. Raus aus der Freak-Ecke
Dabei haben die Enigma2-Geräte, die einst als Technik für Freaks verschriehen waren, auch diese Ecke längst verlassen. Denn auch bei Bedienbarkeit und Jugendschutz bieten die Boxen dank clever-programmierter Plugins mittlerweile das, was der Durchschnittsverbraucher von High-End-Geräten erwartet. Das hat zur Folge, dass die Enigma2-Receiver in den vergangenen Jahren immer populärer und verbreiteter wurden. Mehr noch: Für die Hersteller von Digitalreceivern scheint es mittlerweile sogar zum guten Ton zu gehören, wenigstens ein Enigma2-Gerät im Portfolio zu haben. Jüngstes Beispiel für eine Receiver-Schmiede, die auf den Linux-Zug aufgesprungen ist, ist dabei Megasat mit den Modellen Iqon Force 2 und Iqon Force 1 Plus. Eine neueMarke etabliert sich derzeit zudem mit WWIO. Sie möchte ihre Enigma2-Systeme in Zukunft sogar in großen Elektromarktketten anbieten.
Die Zahl der Geräte, die mit Enigma2 arbeiten, nähert sich mittlerweile der Marke von 100 an. Dank der gleichen Basis-Software sind all diese Geräte auch zu einem Großteil untereinander kompatibel, sodass sich beispielsweise Aufnahmen im- und exportieren lassen und das Einrichten von Multiroom-Systemen deutlich erleichtert wird. Gleichzeitig steigt die Attraktivität der Plattform für Entwickler, je größer die Gerätebasis wird. Immer noch Geschmacksache
Und so passiert es, dass ausgerechnet ein Open-Source-Betriebssystem der Konkurrenz mehr und mehr Marktanteile abknöpfen kann. Für den Markt sind die Auswirkungen entscheidend. Denn prinzipiell nimmt die Entwicklung im Receiver-Bereich damit eine deutlich andere Richtung als im TV-Geräte-Sektor, wo die meisten Hersteller noch immer versuchen, eigene Software-Plattformen zu etablieren. Dabei müssen diese allerdings auch die Entwicklungs- und Supportkosten selbst tragen. Einen anderen Weg gehen auch hier bereits die Hersteller Sony und Philips, die künftig auf das ebenfalls Linux-basierte Android-System setzen wollen, welches von Google weiterentwickelt wird. Welcher Weg dabei letztlich der bessere ist, muss wohl der Kunde für sich selbst entscheiden.
Bislang fährt die Enigma2-Community mit ihrem eigenen Weg zumindest sehr gut. Allerdings verlangt das System trotz des fortgeschritten Entwicklungsstandes immer noch ein gewisses Maß an Eigenengagement und ist damit nach wie vor keine Plattform für Jedermann. [ps]
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