[DF vor 100 Ausgaben] Todesstoß für MHP – Pornos im Kabel

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Bild: © lassedesignen - Fotolia.com
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Einmal im Monat blicken wir zurück darauf, welche Themen Leser und Redaktion in der DIGITAL FERNSEHEN vor 100 Ausgaben beschäftigten. Interessanterweise haben wir dabei in der Ausgabe 06/2003 viele Parallelen zur aktuellen Entwicklung im Fernsehbereich gefunden.

Die Tücken von MHP – und der Nachfolger HbbTV

 
Gerade etabliert sich der Standard HbbTV dank breiter Unterstützung von Herstellern und Programmanbietern und scheint diesmal wirklich nicht mehr aufzuhalten zu sein. Das war damals ganz anders. Dort nannte sich der Zukunftsdienst noch Multimedia Home Plattform (MHP) und der Markt an digitalen Empfangsgeräten war überschaubar. Die meisten digitalen Fernsehkonsumenten hatten eine dbox 2 vom damaligen Pay-TV Anbieter Premiere im Wohnzimmer stehen.
 
Doch obwohl bereits eine funktionstüchtige und von der Redaktion DIGITAL FERNSEHEN für gut befundene MHP-Software für die dbox 2 zur Verfügung stand, verweigerte der Pay-TV Anbieter die Bereitstellung dieser innovativen Firmware und versetze dabei kalkuliert oder unfreiwillig MHP den Todesstoß. Dabei standen schon damals einige interessante und funktionstüchtige MHP-Applikationen zur Verfügung und die mehr als 2 Millionen tauglichen d-boxen hätten sicherlich für einen raschen Ausbau und die Verbreitung des innovativen Dienstes gesorgt.
 
Damals stand ein einziger Konkurrenzreceiver mit MHP, nämlich der Panasonic TU-MSF 100 in den Regalen der Händler. MPH auf der dbox2 hätte aber sicherlich für weitere Entwicklungen gesorgt. Doch trotz mahnendem Editorial und ausführlichen Berichten – offiziell kam Betanova 3.0 (BR mhp 3.0) nie auf die dbox 2 und MPH verabschiedete sich sang und klanglos als Investitionsruine für die Programmanbieter wie ARD, ZDF und RTL, welche bereits weit fortgeschrittene MHP-Applikationen in Regelbetrieb hatten. Im Jahr 2007 wurde MHP endgültig aufgegeben. Kein Wunder also, dass eine Menge Lobbyarbeit notwendig war, um nun HbbTV als zukunftssicheres System am Markt zu etablieren. Radio-EPG und 8PSK

 
Was heute quasi selbstverständlich ist, war damals auch noch ein Knüllerthema: Radio-EPG. Noch scheuten sich die privaten Programmanbieter, ihre Radioprogramme auch über Sat zu verbreiten. Zwar gab es Astra-Digitalradio (ADR) als Nischenprodukt mit einigen wenigen Privatsendern, doch den großen Durchbruch würde erst eine parallele Verbreitung von digitalen Radiosendern über MPEG2 und damit der parallelen Empfangbarkeit mit nur einem Gerät  bringen.
 
Einige Öffentlich-Rechtliche Sender sowie Bezahlangebote wie Music Choice Extra (MCE) gingen schon diesen Weg. Was bei den digitalen TV-Sendern schon zum Standard gehörte, etablierte sich im Radiobereich aber erst zögerlich: die Bereitstellung von zusätzlichen Programminformationen über einen EPG. Wieder einmal waren es die Öffentlich-Rechtlichen Sender, die hier die Vorreiterrolle übernahmen.
 
Technisch entwickelte sich damals auch das, was heute HD erst effizient ermöglicht: die Umstellung auf 8-PSK, dem Nachfolger von QPSK und heute weit verbreiteten Modulationsstandard für eine effektivere Transpondernutzung mit doppelter Datenrate (66 Mbit/s statt 33-36 Mbit/s bei QPSK). Und auch die künftige Umstellung auf MPEG4 war schon Spekulationsthema in der DIGITAL FERNSEHEN 06/2003.Pornographieverbot ausgetrickst

 
Es gab einmal eine Zeit, da verbot das deutsche Rundfunkrecht klar und eindeutig die Ausstrahlung von Hardcore-Pornographie im Fernsehen und damit insbesondere im deutschen Kabelnetz. Ein kleiner Anbieter namens Sexxxxcast.tv hatte aber eine clevere Idee, um genau dies zu umgehen. In der Austastlücke des Sportsenders Eurosport wurden nachts digital ganz andere sportliche Höhepunkte übertragen: „Vier Bums-Sequenzen à 15 Minuten“ – wie der Anbieter selber in der Werbung versprach.
 
Ein Umstand, den die Medienhüter keinesfalls gut fanden, aber dennoch nicht so einfach unterbinden konnten: da es sich um einen Datendienst und keinen Livesender handelte, fand auch das Rundfunkrecht hier keine Anwendung. Nachts konnten sich also die Satellitenzuschauer und auch Kabelnutzer ihre Festplatte mit den anzüglichen Sendungen voll schaufeln lassen und dann gegen Bezahlung ansehen. Einzige Voraussetzung war ein aktueller PC mit einer TV-Karte.
 
So prüde wie damals geht es heute freilich nicht mehr zu, denn inzwischen mit effizientem Jugendschutz und geändertem Medienrecht kommen auch Kabelnutzer auf Wunsch in den Genuss von Sendungen für Erwachsene.
 
In der Rubrik „DIGITAL FERNSEHEN vor 100 Ausgaben“ werfen wir künftig an jedem ersten Donnerstag im Monat einen Blick in die früheren Tage der führenden Fachzeitschrift zum Thema Digital-TV. Ab dem morgigen Freitag (4. November) finden Leser die aktuelle Ausgabe 107 (12/2011) druckfrisch am Kiosk, Abonnenten haben Sie bereits im Briefkasten. Das Heft ist natürlich auch in unserem Online-Shop sowie im Abonnement erhältlich.  DIGITAL FERNSEHEN vor 100 Ausgaben
[Mike Bauerfeind]

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