Um die Verbreitung von Windows 10 anzukurbeln, stellte Microsoft privaten Kunden das Update auf das neue Betriebssystem bisher kostenlos zur Verfügung. In Kürze soll sich das nun aber ändern. Doch was kommt dann?
Die Zeit läuft: Ab dem 20. April wird Microsofts Betriebssystem Windows 10 privaten Nutzern nur noch 100 Tage als kostenloses Upgrade zur Verfügung stehen. Den Stichtag nimmt das Unternehmen in dieser Woche zum Anlass für weitere Erfolgsmeldungen: Noch nie habe sich ein neues Betriebssystem von Microsoft so schnell verbreitet wie Windows 10, verkündete der Konzern. Auch in Unternehmen in Deutschland werde das System, das seit neun Monaten im Markt ist, aktiv nachgefragt. Und auf die kommt es im Upgrade-Geschäft an: Während private Nutzer den Umstieg auf das neue System kostenlos vornehmen können, kurbeln die Unternehmenskunden dabei auch die Umsätze an. Doch von einem glänzenden wirtschaftlichen Erfolg ist Windows 10 ein gutes Stück entfernt.
Das hat vor allem mit den schwierigen Rahmenbedingungen zu tun: Nach wie vor schwächelt der gesamte PC-Markt weltweit. Im ersten Quartal gingen die Absätze nach Berechnungen von Marktforschern erneut um rund 10 Prozent zurück. Auch Highlights wie der neue Microsoft-Computer Surface Book haben vorerst nichts daran ändern können, dass Nutzer ihre Geräte nicht mehr im gewohnten Takt erneuern, sondern statt dessen lieber nach neuen Smartphones greifen.
Vor allem Unternehmen würden aktuell weniger Geld für IT-Ausrüstung ausgeben und auf bessere Konditionen für einen Umstieg auf Windows 10 warten, sagte Gartner-Analyst John-David Lovelock dem „Wall Street Journal“. Und wichtige, sich entwickelnde Märkte wie Lateinamerika stünden derzeit politisch wie ökonomisch unter großem Druck. Gartner fuhr deshalb zuletzt seine Prognosen für Windows wieder zurück. Die Welt habe sich geändert, sagte Lovelock.
Zuletzt war das Geschäft mit Windows insgesamt um 8 Prozent auf rund 4,9 Milliarden Dollar zurückgegangen. Für dieses Jahr prognostiziert Gartner einen Umsatzrückgang von 7,5 Prozent auf 13,5 Milliarden Dollar. Das reflektiere durchaus auch einen schwächeren Verkauf von Windows 10 in diesem Jahr als angenommen, sagte Lovelock. Erst 2017 dürfte das System einen merkbaren Impuls auf das PC-Geschäft haben wird.
Dabei hören sich die Zahlen von Microsoft durchaus beeindruckend an. Auf insgesamt 270 Millionen Geräten läuft demnach Windows 10 bereits. In Deutschland seien aktuell 34 Prozent der Geräte in Unternehmen mit dem neuen System ausgestattet, teilte Microsoft in dieser Woche mit. Darunter seien kleine und mittelgroße Firmen mit 25 bis 250 Arbeitsplätzen überdurchschnittlich stark vertreten. Zudem planten 43 Prozent der Firmen eine Migration noch in diesem Jahr.
Mit diesem Migrations-Tempo habe man selbst nicht gerechnet, sagte Dirk Martin von der Firma Techconsult, die zur Heise-Gruppe gehört. Das Analysehaus hat für die Ergebnisse im Auftrag von Microsoft 350 Unternehmen aller Größenordnungen in Deutschland im März befragt. „Die Geschwindigkeit ist deutlich höher als bei Umstiegs-Prozessen in der Vergangenheit“, sagte Martin.
Dieser Erfolg ist auch dem kostenlosen Angebot für die private Nutzung geschuldet. Dabei ging Microsoft nach Einschätzung vieler Nutzer jedoch auch zu weit: So beschwerten sich Nutzer über ungefragte Werbeeinblendungen im Browser Internet Explorer, die Microsoft im Zuge von Sicherheits-Patches verteilte. Auf Rechnern mit Windows 7 und 8.1, bei denen automatische Updates aktiviert sind, spielt Microsoft Windows 10 ungefragt auf. Im Netz beschwerten sich viele Windows-Nutzer über die „Zwangsbeglückung“ und zeigten Tricks auf, wie das Upgrade wider Willen verhindert werden kann.
Microsoft verweist dagegen auf die Vorteile, die die Anwender von einer schnellen Migration haben. Die stetig wachsende Bedrohungslage durch immer neue Viren und Schadsoftware, die Sicherheitslücken in den Systemen ausnutzen, lasse sich mit aktuellen Systemen viel besser eindämmen – vor allem, wenn die genutzten Systeme automatisch auf dem neusten Stand inklusive Sicherheits-Patches gehalten werden.
Mit dem neuen Konzept „Windows as a Service“ will Microsoft dafür sorgen, dass sich Nutzer künftig nicht mehr selbst darum kümmern müssen, dass ihre Geräte auf dem neusten Stand sind. Bei privaten Nutzern, die nur über begrenzte Internet-Bandbreiten verfügen oder öfters mobil unterwegs sind, führen die ungefragt geladenen Datenmengen jedoch potenziell auch zu Problemen.
Auch Unternehmenskunden dürften sich erst darauf einstellen müssen, dass sie den Zeitpunkt für ein neues Update oder gar Upgrade anders als gewohnt nicht mehr selbst bestimmen können. Bei Windows 10 Enterprise lässt sich ein Upgrade lediglich hinauszögern. Doch in den kommenden Jahren werde es eine erhebliche Anzahl von Unternehmen geben, die auf Windows 10 wechseln würden – „weil viele das als ihr letztes Upgrade verstehen“, schätzt J.P. Gownder von Forrester Research. Denn dann folge die komplette Migration in die Cloud.
Das dürften auch für Microsoft rosige Aussichten sein: Das Cloud-Geschäft, auf das Microsoft-Chef Satya Nadella strategisch setzt, rettete zuletzt die Bilanz des Konzerns. Mit entsprechenden Lösungen setzte Microsoft im vergangenen Quartal deutlich mehr um als mit der einstigen „Cash Cow“ Windows. Für Windows 10 läuft derweil der Countdown. Was private Nutzer nach Ablauf der 100 Tage dann erwartet, bleibt abzuwarten. Microsoft hüllt sich in Schweigen. [Renate Grimming/fs]
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