Die neuen Fernseher werden immer schlauer – und lassen damit viele Zuschauer dumm dastehen. Denn die wissen oft nicht mehr, wie sie mit 50 Kanälen, Youtube, Internet und den unvermeidlichen Apps klarkommen sollen. Auf der Elektronikmesse CES sucht die Branche nach Lösungen.
„Hi Fernseher, Kanal hoch“ – mit diesem Kommando schaltet der junge Mann um, ohne die fettige Pizza aus den Händen zu legen. Auch für eine Internetsuche auf dem großen Bildschirm braucht er keine Fernbedienung: Die Begriffe spricht er vor, und den Mauszeiger bewegt er mit einer Geste. Geht es nach Samsung, sieht so die Zukunft des Fernsehens aus.
Was der südkoreanische Konzern in diesen Tagen auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas zeigt, hat mit der Realität im Wohnzimmer der meisten Zuschauer wenig zu tun. Viele haben mittlerweile schicke Flachbildschirme, aber wer darauf Youtube-Videos, Blockbuster aus der Online-Videothek oder Urlaubsfotos von seinem PC gucken will, muss meist umständlich auf der Fernbedienung herumtippen, falls er überhaupt das richtige Menü findet. Die Fernseher können immer mehr, werden aber auch immer komplizierter.
Die Branche weiß um das Problem – und will Abhilfe schaffen. „Ich glaube, dass 2012 das Jahr der Benutzeroberfläche wird“, sagt Shawn Dubravac, Forschungsdirektor der Consumer Electronics Association (CEA). Die Steuerung der Geräte wird aufgeräumter und eleganter, lautet die Prognose des Experten. Die Technologie trete künftig immer mehr in den Hintergrund und erlaube eine „natürliche Interaktion“. Etwa mit intuitiven Fernbedienungen – bislang eine Rarität – sowie mit Stimme und Gesten, wie bei Samsung demonstriert.
Einen Ansatz hat LG bereits im vergangenen Jahr vorgeführt: Der koreanische Hersteller verkauft einige Modelle mit einer „Magic Remote“, übersetzt: Zauber-Fernbedienung. Sie ermöglicht es, mit Fingergesten durch Menüs zu navigieren. Die neue Generation des Steuergerätes hat auch ein Mikrofon und gehorcht auf Sprachkommandos. Zudem hat LG eine 3D-Kamera entwickelt, die Bewegungen registriert und umsetzt. Beides – Sprach- und Gestensteuerung – bietet Microsoft mit seiner Xbox-Steuerung Kinect schon länger.
Sony zieht nun nach: Wie LG bringt der japanische Konzern eine Fernbedienung heraus, die neben Fingerbewegungen auch Sprachbefehle versteht. Zudem enthalten alle neuen Fernseher des Herstellers ein WLAN-Modul und lassen sich somit ohne Kabelsalat ans Netz anschließen.
Mit Sprachsteuerung will auch Lenovo punkten. Der chinesische Konzern, der in Las Vegas überraschend seinen Einstieg ins umkämpfte TV-Geschäft angekündigt hat, setzt dabei auf das Betriebssystem Android: Die Sprachsteuerung der Software soll die Navigation erleichtern, die Gesichtserkennung als Kindersicherung dienen. Die Chinesen nutzen dabei nicht Google-TV, also die offizielle Fernseh-Software des Internetriesen, sondern eine selbst angepasste Variante, die auf der aktuellsten Android-Version 4.0 basiert.
Für mehr Übersicht im Wirrwarr der Kanäle sollen auch neue Medienzentralen sorgen – zum Beispiel bei Sharp. Dessen „Smart Central“ sortiert vor: Videos, Musik, Spiele, Soziale Netzwerke und Fotos werden zusammengefasst. Auch populäre Web-Dienste wie Youtube, Netflix und Skype fallen darunter. Samsung hat das Bedienungsmenü ebenfalls überarbeitet und nennt es „Smart Hub“.
Dass die Unternehmen sich so viele Gedanken machen, hat auch mit einem Konkurrenten zu tun, der gar nicht nach Las Vegas gereist ist: Apple. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass dieser bald einen eigenen Fernseher auf den Markt bringen will. Schon jetzt lassen sich dessen Geräte sehr leicht miteinander vernetzen. Und mit einfacher, eleganter Bedienung kennen sich die Schöpfer von iPhone und iPad ohnehin aus. [Christof Kerkmann/js]
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