Im DIGITAL FERNSEHEN-Interview mit NDR-Produktionsdirektor Sascha Molina über zukünftige Bildqualität-Standards, verrät der Branchenkenner auch Details zur UHD-Fähigkeit der ARD-Mediathek.
Lesen Sie im ersten Teil, was der NDR in der UHD-Entwicklungspipeline hat, welche Standards dabei verfolgt werden und wie Sascha Molina es auf den Posten des Produktionsdirektors schaffte:
DIGITAL FERNSEHEN: Zunächst einmal vielleicht etwas zu ihrer Person: Können Sie uns einen kleinen Einblick in ihre NDR Karriere geben und vielleicht ein (technisches) Highlight hervorheben?
SASCHA MOLINA: „Ich habe beim NDR sehr unterschiedliche Aufgaben übernommen. Ich bin von der Ausbildung her Video-Ingenieur und habe in der Studiotechnik angefangen. Einige Highlights dort waren unter anderem die technische Leitung für die Heim-Regie der Fußball Weltmeisterschaft 2002. Das waren die Sendungen mit Gerhard Delling und Günther Netzer.
Ich war zudem mit den Neubauten von Regien betraut. Das größte technische Highlight war, die vernetzte Produktion aufzubauen. Ich habe den Wechsel von kassettenbasierter Produktion auf Server-basierte Produktion nicht nur technisch begleitet, sondern auch an den Veränderungen von Berufsbildern mitgewirkt. Das war ein großer, spannender Weg, auf dem ich das technische Projekt betreute, und im Anschluss die Leitung der betroffenen Abteilung übernahm.
Es folgte die Leitung der IT-Abteilung im NDR bis ich 2019 als Produktionsdirektor die Verantwortung für alle produktionstechnischen Bereiche übernahm. Zu meiner Direktion gehören Gewerke wie Kamera, Schnitt, Bildtechnik, Tontechnik, aber auch Organisatorisches wie Aufnahmeleitung und Produktionsleitung. Dazu kommen die technischen Bereiche, wie IT, der Servicebereich und die technische Planung.“
Angefangen während der frühen 90er in der Studiotechnik
DF: Können Sie uns etwas zu den aktuellen UHD-Produktionen des NDR verraten? Zwei hat es ja bereits gegeben.
SM: „Wir haben uns vorgenommen, pro Jahr zwischen drei und fünf UHD/HDR Produktionen zu realisieren, und festgelegt, dass wir UHD ausschließlich in Verbindung mit HDR umsetzen. Viele Untersuchungen und eigene Tests haben gezeigt, dass HDR die Akzeptanz beim Publikum erhöht, da der visuelle Effekt von HDR oft sehr viel deutlicher wahrgenommen wird, als eine höhere Auflösung.
Drei bis fünf Produktionen pro Jahr auch deshalb, weil wir uns langsam herantasten. Wir wollen unsere Workflows optimieren und Erfahrungen mit den neuen gestalterischen Möglichkeiten von HDR sammeln. Da ist es besser, sich auf weniger Produktionen zu konzentrieren.“
Lesen Sie hierzu bei Interesse auch den DF-Artikel „NDR goes UHD“ vom 15. Februar.
DF:Wann ist mit den Produktionen im Jahr 2022 zu rechnen?
SM: „Wir sind jetzt in der Produktionsphase und werden im Laufe des Jahres die geplante Anzahl an UHD/HDR Produktionen erreichen. Wir werden uns in erster Linie auf Dokumentationen konzentrieren, weil wir der Meinung sind, dass da dort der Nutzen am größten ist.“
DF: Und das Format der Wahl ist dabei „Die Nordstory“?
SM: „Unter anderem, dieses Jahr ist ebenso ein Zweiteiler der Reihe „Länder Menschen Abenteuer“ geplant.“
Nächstes Projekt: Die ARD-Mediathek UHD-fähig machen
DF: Die UHD/HDR Inhalte präsentiert der NDR einmal in der HbbTV Mediathek und einmal bei Youtube. Können sie den Hintergrund erklären, warum sich der NDR auf diese beiden Ausspielwege konzentriert?
SM: „Wir erwarten nicht, dass es einen kompletten Umstieg auf UHD geben wird, so wie seinerzeit von SD auf HD. Es gibt viele Genres, da ist der Unterschied für das Publikum nicht so gravierend. Die hohen Datenraten und Produktionskosten für alle unsere Produktionen einzusetzen, ist aus unserer Sicht nicht zielführend.
Wir haben mit HbbTV begonnen, weil dort derzeit große Teile unseres Stammpublikums erreichen. Im nächsten Schritt gilt es, die ARD-Mediathek UHD-fähig zu machen, damit haben wir schon begonnen. Wir hoffen, dies noch in diesem Jahr bewerkstelligen zu können.
Es mag irgendwann auch einen Satellitenweg geben, der komplett in UHD läuft. Dies sehen wir aber, wenn überhaupt eher, in fernerer Zukunft, da für ein UHD-Vollprogramm der Content noch fehlt. Im Internet ist es für uns einfacher, eine Mischung aus UHD/HDR und HD/SDR zu realisieren.“
„Wir erwarten nicht, dass es einen kompletten Umstieg auf UHD geben wird“
DF: Bleibt noch Kabel, wie sieht es auf diesem Gebiet aus?
SM: „Die Situation beim Kabel ist eine andere. Bei einem Satelliten haben wir in der Regel ein direktes Vertragsverhältnis mit dem Betreibenden, z. B. mit SES Astra. Wir mieten dort Transponder und wir bestimmen, was wir darüber gerne verbreiten möchten.
Beim Kabel ist es so, dass Provider wie Vodafone oder jetzt auch die IPTV-Plattformen wie Magenta, ihr Paket zusammenstellen, wie sie es für richtig halten. Und darauf haben wir kaum Einfluss. Wir können Empfehlungen geben, aber diese Anbieter entscheiden letztlich selbst, was dem Publikum als Mehrwert verkauft werden kann. Die Entscheidung fällt häufiger dafür, die vorhandene Bandbreitelieber für zwei weitere HD-Sender einzusetzen als für einen Sender in UHD/HDR.
Das verändert sich zurzeit ein wenig, weil die Streaming Plattformen wie Netflix, Amazon Prime und Disney fast alle standardmäßig UHD/HDR anbieten. Daher steigt auch der Druck auf die Kabelbetreiber. Aber, das haben wir nicht in der Hand, sondern das entscheiden die Provider. Deshalb sind dort aktuell noch weniger UHD Angebote zu finden als via Satellit.“
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Lesen Sie auch den zweiten Teil des DF-Interviews mit NDR-Programmdirektor Sascha Molina. Darin geht es um Anwendungsmöglichkeiten von 8K, den Kampf der Öffentlich-Rechtlichen um Relevanz in jüngeren Zielgruppen und den richtigen UHD-Look.
Bildquelle:
- df-sascha-molina-header: Sascha Molina