Weltraumschrott: Heute stürzt Satellit ab

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Weltraumschrott, Erde, Satelliten; © Petrovich12 - stock.adobe.com
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Heute wollen die Europäer einen Satelliten gezielt abstürzen lassen. Dennoch umkreisen weitere Tausende sowie Millionen Trümmerteile die Erde – und gefährden die Raumfahrt.

Millionen Trümmerteile fliegen als Weltraumschrott um die Erde – Tendenz steigend. Zudem kreisen zurzeit nach Angaben der europäischen Weltraumbehörde Esa mehr als 12.500 Satelliten um unseren Heimatplaneten – viele davon sind nicht mehr funktionstüchtig. Einen will die Esa am Sonntag über dem Südpazifik gezielt in die Erdatmosphäre eintreten lassen. Zudem ist ein Raumfahrzeug mit Greifarmen in der Entwicklung, um gezielt Weltraumschrott zurückzuholen und verglühen zu lassen.

Doch während diese Projekte rar sind oder sogar noch in der Planung, werden ständig neue Satelliten nach oben geschossen. Hinzu kommen touristische Raumflüge wie die Mission Polaris Dawn, die dieser Tage Privatpersonen ins All bringen soll. Angesichts der schieren Menge von Objekten im Orbit steigt die Gefahr von Kollisionen im All. Wie groß ist das Risiko – und was lässt sich dagegen tun?

Gibt es ein internationales Recht im All?

Das All ist kein gänzlich rechtsfreier Raum. Nach Angaben des Esa-Programmleiters für Weltraumsicherheit beim Raumflug-Kontrollzentrum Esoc in Darmstadt, Holger Krag, haben die Vereinten Nationen Richtlinien erlassen, die mehr als 100 Staaten unterschrieben haben. „Da steht einfach nur drin, dass jeder Staat die Raumfahrt in seinem Land überwachen muss und autorisieren soll.“

Dieser sogenannte Weltraumvertrag legt nach Angaben des Auswärtigen Amtes (AA) auch die Haftung für Schäden durch Weltraumaktivitäten fest: „Staaten, die einen Weltraumgegenstand in den Weltraum starten, starten lassen oder ihr Territorium oder ihre Anlagen für Starts zur Verfügung stellen, haften grundsätzlich unbegrenzt für Körper- und Sachschäden, die ein solcher Gegenstand auf der Erde, im Luftraum oder im Weltraum verursacht, wenn diese auf fahrlässigem Handeln beruhen.“

Die jeweiligen Staaten sollen demnach ihre Rahmenbedingungen selbst festlegen. An einem deutschen Weltraumgesetz wird nach Angaben des Auswärtigen Amts derzeit gearbeitet. „Der Weltraumvertrag enthält auch Bestimmungen zur Vermeidung von schädlichen Verunreinigungen des Weltraums, die allerdings bislang wenig praktische Bedeutung erlangt haben“, heißt es auf der AA-Homepage.

Wie soll künftig neuer Weltraumschrott vermieden werden?

Neben der Ausarbeitung von nationalen Weltraumgesetzen durch Regierungen sind auch Raumfahrtagenturen aktiv. So hat sich die Esa verpflichtet, ab 2030 keinen unnötigen Weltraumschrott mehr zu produzieren.

Unlängst waren Verträge mit drei Satellitenbauern unterzeichnet worden, um für den niedrigen Orbit neue Satellitentechnologien zu entwickeln, die keinen Müll mehr produzieren. Heute ist es Krag zufolge so, dass noch jedes sechste Objekt, das im All hinterlassen wird, explodiert, jedes zweite werde nicht ordnungsgemäß entsorgt.

Das soll sich ändern. „Wir wollen für unsere eigenen Missionen sagen, dass es nicht egal ist, wenn das Entsorgen nicht geklappt hat, sondern wir müssen eben dann nachhelfen und sagen, das Objekt muss zurückgeholt werden“, sagt Krag.

Die US-Raumfahrtbehörde Nasa und die japanische Jaxa haben Krag zufolge ähnliche Projekte in Arbeit. China oder Russland ließen sich hier nicht in die Karten schauen, weil solche Systeme auch militärisch genutzt werden könnten.

Ist Weltraumschrott eine Gefahr für Raumstationen?

Ja! Die chinesische Raumstation „Tiangong“ („Himmelspalast“) ist vor Monaten von Weltraumschrott getroffen worden und musste dann gewartet werden. Auch die Internationale Raumstation ISS muss immer wieder Trümmerteilen ausweichen. Mitunter mussten sich Astronauten in angedockten Raumfahrzeugen in Sicherheit bringen, weil solche Geschosse auf einem möglichen Kollisionskurs waren.

Wo gibt es Kollisionsgefahren?

„Wir zählen den erdnahen Bereich bis 2000 Kilometer Höhe dazu. Dort sind zwei Drittel aller Raumfahrtobjekte“, sagt Krag. Die bewegten sich also auf begrenztem Raum, und dort habe es schon Kollisionen gegeben, teils sogar mit Satelliten. „Es ist also Realität, dass wir dort ein Problem haben.“

Besonders viel Betrieb herrscht demnach bis in 800 Kilometer Höhe. Dort sei „die Hölle los“, oberhalb davon lasse die selbstreinigende Wirkung der Atmosphäre schon nach – wegen der geringer werdenden Schwerkraft: Nach Angaben der Nasa fallen Trümmer in einer Höhe unter 600 Kilometern innerhalb weniger Jahre wieder auf die Erde zurück – und verschwinden damit aus der Umlaufbahn. Oberhalb von 1.000 Kilometern müsse man dagegen mit 1.000 oder noch mehr Jahren rechnen.

Die Starlink-Satelliten des privaten US-Raumfahrtunternehmens SpaceX von Tech-Milliardär Elon Musk fliegen übrigens in rund 500 Kilometern Höhe. Wenn da einer ausfalle, würde er nach rund fünf Jahren in der Atmosphäre verschwinden, sagt Krag. Hier sei eher die schiere Anzahl der Satelliten das Problem.

Nach Angaben der Esa werden nicht alle im Orbit schwirrenden Objekte verfolgt. Auf Grundlage statistischer Modelle geht sie davon aus, dass es derzeit rund 40.500 Trümmerobjekte größer als zehn Zentimeter, rund 1.100.000 zwischen ein und zehn Zentimetern und 130 Millionen bis zu einem Zentimeter gibt. Die Gesamtmasse aller in der Erdumlaufbahn befindlichen Weltraumobjekte wird auf mehr als 12.400 Tonnen geschätzt.

Wie wird sich die Raumfahrt entwickeln?

Krag zufolge wurden vor 20 bis 30 Jahren rund 100 Satelliten pro Jahr gestartet. „Seit drei bis vier Jahren geht das rapide hoch, wir sind jetzt bei 2.000, die neu gestartet werden.“ Das Ganze sei dynamisch und könne – abhängig von wirtschaftlichen Aspekten – weiter steigen oder aber sinken.

Der Experte schließt nicht aus, dass eines Tages 10.000 Satelliten pro Jahr starten könnten, weil auch die Kosten immer weiter sinken, unter anderem wegen wiederverwendbarer Trägerraketen.

Gefahren für Raumfahrzeuge sieht Krag dann, wenn die sich im gleichen Orbit wie ein Großteil des Weltraumschrotts bewegten. Habe man nach einem Start aber die ersten 800 Kilometer Höhe geschafft, bleibe es nur noch ein statistisches Problem: „Raus werden wir immer kommen.“

Oliver Pietschmann, dpa

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