Das Geschäft mit Raketen und Satelliten ist im Umbruch. Um mit der Niedrigpreis-Konkurrenz mithalten zu können, suchen etablierte Anbieter wie Airbus nach neuen Mitteln und Wegen.
Was Airbus in einer Fabrik in Florida vorhat, ist eine Revolution für das Satellitengeschäft des europäischen Luftfahrtriesen. „Bislang haben wir in guten Jahren nicht mehr als zehn Satelliten gebaut“, resümiert Nicolas Chamussy, seit einem halben Jahr Airbus-Raumfahrtchef. „Hier werden wir zwei Satelliten am Tag liefern.“
Für das ehrgeizige Projekt OneWeb, das mit einer Flotte aus 648 Kleinsatelliten rund um den Globus schnelles Internet anbieten will, soll Weltraum-High-Tech in die Serienfertigung gehen. Es ist ein Beispiel dafür, wie Airbus im Raumfahrtgeschäft neue Wege geht, um seinen Platz gegen aufstrebende neue Konkurrenz zu behaupten.
Denn das Geschäft mit Raketen und Satelliten ist seit einigen Jahren in einem spektakulären Umbruch. Neue Akteure wie der schillernde amerikanische Unternehmer Elon Musk mit seiner Firma SpaceX haben die Regeln der Sparte durcheinandergewirbelt. Sie drücken die Preise für Trägerraketen und machen Schlagzeilen mit hochfliegenden Zielen wie der Besiedlung des Mars. Im Satellitenmarkt öffnen kostengünstige Kleinsatelliten die Tür für neue Anbieter.
Europas etablierter Raumfahrtsektor muss umdenken: „Wir Europäer haben eine Tendenz, vorsichtiger zu sein, vielleicht nicht risikofreudig genug“, sagt Chamussy im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Aber die Dinge ändern sich.“
So hat Europa nach zähen Verhandlungen sein Trägerraketengeschäft völlig neu sortiert. Die neue, günstigere Rakete Ariane 6 soll 2020 das erste Mal fliegen. „Die Umstrukturierung des gesamten Trägerraketensektors war ein harter Kampf“, sagt Chamussy. „Die Struktur war nicht effizient genug, um gegen SpaceX und andere anzukommen – aber es war ein riskanter Schritt, das komplett umzubauen.“ Ob das reicht, um die Falcon 9 von SpaceX zu schlagen? „Wir werden sehen, aber wir tun alles dafür.“ Ariane 6 sei auf einem guten Weg, „aber wir dürfen davon nicht abweichen“.
Denn die Wettbewerber bereiten ebenfalls neue Raketen vor: „Wir zählen weltweit ein Dutzend Projekte für Trägerraketen vom Typ Ariane 6 (…) und etwa 50 Projekte für kleine Trägerraketen“, erläuterte der Chef von Airbus Safran Launchers (ASL), Alain Charmeau, der französischen Zeitung „Le Figaro“. Der Chef des europäischen Raketenbetreibers Arianespace, Stéphane Israël, warnte: „Die Konkurrenz wird nicht abnehmen.“
Vorzeigeprojekt für Airbus‘ Versuch, im sogenannten New Space mitzumischen, ist OneWeb, hinter dem der Internetpionier Greg Wyler steht. Ziel ist bezahlbares Highspeed-Internet auch für abgelegene Gebiete. Ob sich der Traum des „Internet für alle“ auch als Geschäftsmodell rechnet, muss sich aber erst zeigen. Airbus hat mit OneWeb vor einem Jahr ein Joint Venture zur Fertigung der Satelliten gegründet.
„Für uns war das etwas Neues – wir gehen eine Wette ein“, sagte Chamussy. „Eine reflektierte Wette natürlich, wir investieren in ein Projekt, das wir für die richtige Initiative halten.“ Der erste Start ist für das erste Halbjahr 2018 geplant. „Die Entwicklung läuft gut, wir haben fast alle Zulieferer ausgewählt.“ Konkurrent auch hier: SpaceX-Gründer Musk, der mit Unterstützung von Google an einem ähnlichen Internet-Projekt aus 4000 Satelliten arbeitet.
Wegen dieser Vorhaben erwartet das Beratungsunternehmen Euroconsult, dass von 2016 bis 2025 sage und schreibe 9000 Satelliten ins All gebracht werden – gegenüber 1480 im vorherigen Jahrzehnt. Auch wenn man Kleinstsatelliten herausrechnet, gehen die Experten davon aus, dass die Zahl der ins All geschossenen Himmelskörper um mehr als 50 Prozent zulegt. Der Markt für die Hersteller könnte demnach trotz des erwarteten Preisverfalls um 16 Prozent wachsen, der für Raketenstarts um 18 Prozent. Insgesamt erwartet Euroconsult für diesen Zeitraum einen Satelliten-Branchenumsatz von 280 Milliarden US-Dollar (266 Mrd Euro) – mehr als drei Viertel davon für öffentliche Aufträge.
Weil das Raumfahrtgeschäft floriert, hat Airbus in diesem Bereich in den vergangenen beiden Jahren jeweils 1000 Mitarbeiter eingestellt. „Und wir streben für 2017 weitere 1000 an“, sagt Chamussy. Der Bereich gehört zur Sparte Defence and Space mit rund 38 000 Mitarbeitern Ende 2015. Wie viele davon im Raumfahrtgeschäft arbeiten, schlüsselt Airbus nicht auf – nach Einschätzung von Branchenkennern ist es etwa ein Drittel.
Chamussy sieht in der neuen Raumfahrt-Welt für Airbus eine Notwendigkeit nach mehr Risikofreude und Beweglichkeit. Für OneWeb habe das Unternehmen etwa seine Arbeitsabläufe verändert, um die Entwicklung des Satelliten-Designs zu beschleunigen. Allerdings gebe es Unterschiede – technisch anspruchsvolle Großprojekte wie die europäische Antriebs- und Versorgungseinheit für die Nasa-Raumkapsel Orion könnten nicht nach dem gleichen Schema laufen wie die Serienfertigung von Kleinsatelliten. „Deshalb müssen wir vorsichtig sein, nicht vollständig von einer Seite auf die andere zu wechseln.“[Sebastian Kunigkeit/buhl]
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