Nicht für den modernen Fernsehempfang sind Satelliten unabdingabar, auch Wetterberichte, Navigationsdienste und Geographie wären ohne die fliegenden Multitalente nicht halb so gut. Selbst im Kampf gegen Piraterie auf den Weltmeeren sollen jetzt Satelliten zum Einsatz kommen.
Wettervorhersage, Klimawandelprognosen, Katastrophenhilfe – Satellitendaten aus dem All leisten auf Erden immer wichtigere Dienste. Die Informationen können sogar Seefahrer vor Überfällen von Piraten schützen: Sind die Wellen höher als 2,50 Meter, wagen sich die Seeräuber mit ihren kleinen Booten meist nicht mehr aufs Meer – freie Fahrt für Frachter und andere Schiffe.
Die „Piratenvorhersage“ steckt freilich noch in den Kinderschuhen. „Bei der Piraterie sind wir gerade am Anfang“, sagte der Direktor des Erdbeobachtungsprogramms der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA, Volker Liebig, beim IGARSS (International Geoscience and Remote Sensing Symposium) in München. An der Konferenz zu Geowissenschaften und Fernerkundung nehmen bis Freitag rund 2400 Experten aus aller Welt teil.
Vor allem bei der Wettervorhersage spielen die Daten seit dem Start der ersten Satelliten in den 1980er Jahren eine wichtige Rolle. Die Prognosen stützen sich heute zu 40 Prozent darauf. „Der Rest kommt von guten Modellen und Supercomputern“, sagt Liebig. „Die Wettervorhersage ist heute für sechs Tage besser als früher für drei Tage.“
Die Ziele für die Zukunft sind noch viel höher gesteckt. „Wir träumen davon, die Vorhersage auf Monate zu verlängern“, sagt der Direktor des Weltklimaforschungsprogramms, Ghassem Asrar. Er will Wetter- und Klimaprognosen näher zusammenbringen: Das Wetter soll über längere, das Klima über kürzere Zeiträume einschätzbar werden.
Solche Vorhersagen kämen nicht nur Sonnenhungrigen bei der Urlaubsplanung zu Gute. Zahlreiche Branchen von der Landwirtschaft über den Luftverkehr bis zum Bau profitierten – und die erneuerbaren Energien. Schon jetzt werden Offshore-Windparks und Solaranlagen anhand von Erdbeobachtungsdaten geplant. „Es gibt eine globale Karte für Sonnen- und Windenergie“, sagt der Vorstandschef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Johann-Dietrich Wörner. „Wir sehen: Was ist der beste Platz, um Solar- und Windparks zu bauen. Bisher hat man einfach beim nächsten Dorf am nächsten Berg geguckt.“
Auch die Idee zum Wüstenstromprojekt Desertec entstand anhand von Satellitenaufnahmen: Sie zeigen große Sonneneinstrahlung im Norden Afrikas. Zugleich signalisiert die aus dem All fotografierte nächtliche Beleuchtung großen Bedarf im nicht weit entfernten Europa. „Aufgrund dieser Bilder wurde das Projekt „Desertec“ entwickelt“, sagt Wörner. Die ehrgeizige Initiative, hinter der Konzerne wie Munich Re, Siemens, RWE oder E.ON stehen, will ab 2050 etwa 20 Prozent des europäischen Strombedarfs aus der Sahara importieren.
Längst werden aus dem All mit Radartechnik Städte beobachtet, um millimetergroße Bewegungen von Bauwerken zu registrieren. Für den Berliner Hauptbahnhof zeigen Satellitenbilder Schwingungen der Metallkonstruktion allein wegen der Temperaturänderungen im Winter und Sommer. Auch historische Gebäude werden überwacht – um bei geringsten Veränderungen schnell eingreifen zu können.
Bei Katastrophen wiederum erfahren Helfer über die Erdbeobachtung schnell, welche Straßen sie befahren und welche Infrastruktur sie noch nutzen können. Binnen weniger Stunden sind die nötigen Satellitendaten aufbereitet – in den 1980er Jahren dauerte das Wochen. Anstatt wie damals wenige große Satelliten sind inzwischen viele kleinere, spezialisierte Satelliten unterwegs.
Mehrere ESA-Missionen beobachten den Wasserkreislauf auf der Erde, die Veränderung der Meeresströme, die Höhe des Meeresspiegels sowie die Dicke des Eises an den Polen. Deutlich sei die Verminderung etwa in Südpatagonien zu sehen, sagt Wörner. „Wir können den Leuten, die es immer noch nicht glauben, beweisen: Unser Planet verändert sich dramatisch.“
Auch für Erdbeben gibt es Informationen aus dem All – über die Messung der Erdanziehungskräfte und GPS-Daten. Allerdings können die Forscher damit nur indirekt auf Spannungszustände in der Erde schließen. Bei der neuen Mission Swarm sollen ab November drei europäische Satelliten das Magnetfeld der Erde exakt vermessen – ebenfalls wichtig unter anderem für die Erdbebenforschung.
Derzeit erstellen die Zwillingsradarsatelliten der Mission „Tandem-X“ erstmals ein dreidimensionales, weltumspannendes und genaues Höhenprofil der Erdoberfläche. Es soll bei Katastrophen helfen, Hangrutschungen etwa können genau vermessen werden. Große Hoffnungen ruhen auch auf dem Projekt „Tandem-L“. Damit will das DLR unter anderem die Entwicklung der Wälder weltweit registrieren, um den globalen Kohlenstoffkreislauf zu verstehen – ein wichtiger Baustein im Kampf für den Umweltschutz und gegen die Folgen des Klimawandels.
Auch in Zeiten der Krise, so der Appell der Wissenschaftler an die Politik, müssten Raumfahrt und Satellitentechnologie gefördert werden – sie dienten der Gesellschaft. Mancher sei der Meinung, es gebe genug Probleme auf der Erde, sagt Wörner, aber: „Der Weltraum ist wichtig“. [Sabine Dobel/ps]
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