Wir sind da! – Erstmals in der Geschichte der Raumfahrt hat eine Raumsonde das Sonnensystem verlassen und den interstellaren Raum erreicht. Rund 35 Jahre war Voyager dafür unterwegs. Die NASA feiert einen historischn Schritt der Menschheit.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit hat eine Raumsonde das Sonnensystem verlassen: Der NASA-Veteran Voyager 1 hat nach rund 35 Jahren Flugzeit die Grenze zum äußeren Weltall überquert, wie US-Forscher um Donald Gurnett von der Universität von Iowa im Fachblatt „Science“ auf Grundlage neuer Messdaten berichten. „Jetzt, da wir neue, entscheidende Daten haben, glauben wir, dass dies der historische Schritt der Menschheit in den interstellaren Raum ist“, erläuterte der Voyager-Projektwissenschaftler der US-Raumfahrtbehörde NASA, Edward Stone.
Zuvor war bereits wiederholt vermutet worden, dass die Sonde das Ende des Sonnensystems erreicht habe, die NASA hatte dies bislang jedoch nicht bestätigt. Das Voyager-Team habe Zeit gebraucht, um die neuen Beobachtungen zu analysieren und zu deuten, ergänzte Stone, der nicht zu den Autoren der neuen Studie gehört. „Aber jetzt können wir die Frage beantworten, die wir uns alle gestellt haben: ‚Sind wir schon da? – Ja, das sind wir.'“
Voyager 1 (Reisender) war am 5. September 1977 gestartet worden, die Zwillingssonde Voyager 2 schon rund zwei Wochen vorher, am 20. August. Nach den nun ausgewerteten Daten hat Voyager 1 bereits 2012 unser Sonnensystem verlassen. Die Sonde rast mit rund 60 000 Kilometern pro Stunde durch den Raum und ist mit einer Distanz von heute knapp 19 Milliarden Kilometern der fernste Bote der Menschheit. Wegen der enormen Entfernung sind die Funksignale der Sonde mehr als 17 Stunden zur Erde unterwegs. Die etwas langsamer fliegende Voyager 2 ist heute rund 15 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt und dank ihres früheren Starts die am längsten kontinuierlich betriebene Raumsonde.
Die Grenze unseres Sonnensystems, die sogenannte Heliopause, ist definiert als derjenige Ort, an dem der konstante Teilchenstrom von der Sonne durch die von außen einströmenden interstellaren Teilchen gestoppt wird. Hinter der Heliopause beginnt damit das interstellare Medium. Der Einfluss der Schwerkraft der Sonne reicht allerdings noch deutlich weiter. Am 25. August des vergangenen Jahres war die Zahl der Sonnenteilchen in Voyagers Messgeräten plötzlich um mehr als den Faktor 1000 gesunken. Gleichzeitig nahm die Zahl interstellarer Teilchen um knapp zehn Prozent zu.
Schon damals hatten Forscher vermutet, dass Voyager 1 in den interstellaren Raum vorgestoßen war. Aber erst neue Messdaten aus diesem April und aus dem Oktober vergangenen Jahres erlaubten jetzt entscheidende Bestimmungen der Teilchendichten. Ergebnis: Die Teilchendichte entspricht nun den Erwartungen für das interstellare Medium. „Wir haben eindeutig die Heliopause passiert, die lang vermutete Grenze zwischen dem solaren und dem interstellaren Plasma“, berichtete der Hauptautor der Studie, Donald Gurnett. „Wahrscheinlich im August 2012.“ Die Grenze unseres Sonnensystems hätte die Sonde demnach in ungefähr 18 Milliarden Kilometern Entfernung von der Sonne überschritten, das ist etwa 121 Mal so weit wie die Distanz der Erde zur Sonne.
„Voyager ist kühn in Regionen vorgestoßen, die keine Sonde zuvor erreicht hat, das markiert eine der bedeutendsten technologischen Errungenschaften in der Geschichte der Wissenschaft“, sagte der Chef des NASA-Wissenschaftsdirektorats, John Grunsfeld. „Indem sie in den interstellaren Raum vordringt, öffnet sie ein neues Kapitel wissenschaftlicher Träume und Unterfangen des Menschen.“
Noch bis voraussichtlich 2025 kann die Sonde Daten liefern, dann wird ihre Energiequelle erschöpft sein. Voyager 1 wird jedoch still weiter im All gleiten und erst in mehr als 38 000 Jahren den nächsten Stern passieren, eine schwach leuchtende Sonne mit der Katalognummer AC+79 3888 im Sternbild Kleiner Bär. Für den äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass eine fremde Zivilisation dem irdischen Botschafter begegnen sollte, tragen beide Voyager-Zwillinge eine mit Gold überzogene Kupferschallplatte mit dem Titel „Laute der Erde“ mit sich sowie einen Plattenspieler – mit Gebrauchsanleitung. [dpa/fm]
Bildquelle:
- Technik_Raumfahrt_Artikelbild: © jim - Fotolia.com