Er war die amerikanische Antwort auf den „Sputnik“-Schock: „Telstar“ ließ die Welt friedlich zusammenrücken. Doch war er gleichzeitig auch ein Teil des Kalten Krieges. Heute treibt er sinnlos durchs All.
Er sah aus wie eine riesige Diskokugel und schleuderte die Welt in ein neues TV-Zeitalter: Der amerikanische Satellit „Telstar“ startete vor 60 Jahren, am 10. Juli 1962, ins All.
Erstmals übertrug er Fernsehbilder live zwischen Amerika und Europa. Die Welt rückte auf der Mattscheibe zusammen und die Menschheit begann dank des künstlichen Himmelskörpers am Glück oder Unglück in fernen Erdteilen teilzunehmen, in bewegten Bildern und in Echtzeit.
Telstar kam knapp fünf Jahre nach Sputnik
„Telstar“ war zwar ein Segen für die zivile Fernsehwelt, aber auch ein Baustein im Kalten Krieg, der sich in den 1950er und 1960er Jahren oft am Himmel abspielte. Den Anfang hatten 1957 die Russen mit dem Start ihres Satelliten „Sputnik“ gemacht. Dieser „Sputnik“-Schock über den unerwarteten raschen Fortschritt der Sowjetunion in der Raumfahrt elektrisierte die westliche Welt. Und dann umrundete auch noch 1961 Juri Gagarin als erster Kosmonaut die Erde. „Telstar“ war ein Teil der amerikanischen Antwort darauf, die mit der Landung der Amerikaner auf dem Mond im Jahr 1969 schließlich ihren großen Höhepunkt fand.
In diesem Wettlauf hatte „Telstar 1“ geradezu geerdete Ziele: 77 Kilo schwer und mit 3.600 Solarzellen ausgestattet, sollte er in rund 8.000 Kilometern Höhe das Telefonieren zwischen neuer und alter Welt einfacher machen und Alternativen zu den zunehmend überlasteten Überseekabeln bieten. Dazu galt es, Fernsehfunk-Signale aufzufangen, zu verstärken und zum jeweils anderen Kontinent wieder abzustrahlen.
Verstärker für Fernsehsignale
Denn die TV-Signale waren zu schwach, um die weite Strecke über den Atlantik zu schaffen. Sie schafften es zu dieser Zeit kaum von einer Seite Amerikas auf die andere. Über die raffinierte technische Komponente des „Telstar“-Experiments, Gemeinschaftsprojekt des US-amerikanischen Telekommunikations-Unternehmens AT&T und der NASA, gibt es dicke Abhandlungen. Die Menschen vor den Fernsehern interessierten aber eigentlich nur die bewegten Live-Bilder.
Aus den USA war bei den ersten Tests eine wehende US-Flagge zu sehen. Die erste Empfangsstation in Frankreich funkte „Paris bei Nacht“ und „La Chansonnette“, gesungen von Yves Montand, zurück. Das Ereignis wurde in Kneipen und Wohnzimmern gefeiert wie ein Fest. US-Präsident John F. Kennedy, der das neue Medium zu nutzen wusste, sprach stolz von der „Vision eines neuen Zeitalters weltweiter Kommunikation“.
Es ist wie eine makabere Fügung der Geschichte, dass Kennedy, der große Freund des Fernsehens, auch zum Mittelpunkt des ersten großen globalen Live-TV-Ereignisses wurde. Es war allerdings ein trauriger Anlass: Kennedys Beerdigung nach dem tödlichen Attentat im Jahr 1963.
Sinnlos im Weltall (für noch gut 200 Jahre)
Zu diesem Zeitpunkt war „Telstar 1“ übrigens schon kaputt – stärkere Satelliten in höheren Umlaufbahnen übernahmen nach und nach seinen Job. Der mehr als 30 Millionen US-Dollar teure Kommunikations-Pionier am Himmel zählt heute zu den «technischen Opfern» des Kalten Kriegs. Die Atombombenversuche der USA in der Atmosphäre hatten die Strahlung in seiner Umlaufbahn erhöht – und die empfindlichen Transistoren nach und nach zerstört.
Im November 1962 ging „Telstar 1“ offline – aber als Weltraumschrott wird er erst in geschätzt 200 Jahren verglühen.
[Christof Bock und Ulrike von Leszczynski]