Die vergangenen Jahre waren nicht die besten für die NASA: Statt großer Erfolge musste die US-Weltraumbehörde vornehmlich Rückschläge vermelden. Mit Curiosity kam im Sommer die Wende: der Marsrover ließ die NASA wieder jubeln und polierte deren Image auf.
Die Wende kam per Ultrahochfrequenz-Signal. Über eine Sonde und mehrere Antennen erreichten die sehnlichst erwarteten Töne am Morgen des 6. August 2012 das Kontrollzentrum der US-Raumfahrtbehörde NASA im kalifornischen Pasadena. „Landung bestätigt“, rief Ingenieur Allen Chen laut durch den Raum. „Wir sind sicher auf dem Mars.“ Nach sechsjähriger Entwicklungsarbeit und acht Monate langem Flug durch das Weltall war der NASA-Forschungsroboter Curiosity auf dem Roten Planeten gelandet – und in den Jubel im Kontrollzentrum mischte sich vor allem ein Gefühl: Erleichterung.
Es war zuvor nicht gut gelaufen für die NASA. Starke Budgetkürzungen und das politisch durchgesetzte Ende der rund 30-jährigen prestigeträchtigen Raumschiff-Ära hatten gewaltig am Selbstbewusstsein der Behörde genagt. Erfolgsnachrichten waren Mangelware und eine neue Mission, die Wissenschaftler und Raumfahrt-Fans gleichermaßen mitreißen kann, wurde dringend gesucht. „Viele haben gesagt, dass die NASA ihren Weg verloren hat, dass wir nicht mehr wissen, wie man forscht, und keinen Mut mehr haben“, sagte NASA-Manager John Grunsfeld.
Alle Hoffnung lag deshalb auf einem 900 Kilogramm schweren Roboter mit sechs Rädern: Curiosity (Neugier). Die 1,9 Milliarden Euro teure Mission war aufgrund der Budgetkürzungen „das letzte Hurra im Planetenprogramm der NASA für einige Jahre“, wie es die „New York Times“ formulierte – und sie war äußerst riskant. Wäre auch nur eine winzige Kleinigkeit schief gegangen, dann wäre Curiosity zu einem Haufen Schrott und einer riesigen Blamage für die NASA geworden. Aber der Rover schaffte die Landung – und brachte die Raumfahrtbehörde so mit einem Schlag zurück auf die Erfolgsspur. „Jetzt können wir sagen, die NASA weiß, wie man forscht, wir haben geforscht und wir sind auf dem Mars“, sagte Grunsfeld.
Der Grundstein für eine bemannte Mars-Mission innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte ist gelegt – und die NASA hat im Rausch des Curiosity-Erfolgs gleich noch eine ganze Reihe weiterer Vorhaben angekündigt: 2020 soll der nächste Rover zum Mars fliegen, außerdem sollen bis 2018 weitere Missionen unter anderem zur Erforschung der höher gelegenen Mars-Atmosphäre starten, einige davon in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumbehörde ESA.
Curiosity landete nicht nur sicher – der Rover übertraf auch alle Erwartungen. Schon in den ersten Sekunden schickte er Schwarz-Weiß-Fotos, bald folgten Farbfotos, Panoramafotos, Videos und erste Messergebnisse. Eine Pressekonferenz jagte die nächste, Erfolgsnachricht über Erfolgsnachricht wurde verkündet. Curiosity fährt, Curiosity gräbt, Curiosity schießt mit einem Laser. Der Rover entdeckt ein ausgetrocknetes Flussbett, übersteht Stürme, misst Wind, Wetter, Luft und Druck und liefert tausende Daten an die begeisterten Forscher zu Hause auf der Erde. Aber nicht nur Wissenschaftler, sondern auch hunderttausende Raumfahrt-Fans weltweit verfolgen Curiosity dank dem äußerst geschickten NASA-Marketing unter anderem per Kurznachrichtendienst Twitter oder bei Facebook.
Und der Rover reißt nicht nur die NASA binnen kürzester Zeit aus der gefühlten Bedeutungslosigkeit, sondern poliert im gleichen Zug auch noch ihr Image. Keine Spur mehr von Wissenschaftlern in Anzug und mit Hornbrille, die für Laien unverständliche Dinge erzählen. Junge Wissenschaftler in Polo-Shirts sitzen plötzlich im Kontrollzentrum und auf den Podien der Pressekonferenzen. Mit einfachen Worten erklären sie die Mission, reißen Witze und verschicken Fotos per Twitter. Einer von ihnen wird dank Curiosity sogar berühmt. Der während der Landung im Kontrollzentrum durch seine Irokesen-Frisur herausstechende Wissenschaftler Bobak Ferdowsi wird unter dem Spitznamen Mohawk Guy zum Internet-Star, bekommt Heiratsanträge und eine eigene Radioshow.
2013 wird Curiosity – wenn alles gut geht – weiter über den Roten Planeten rollen. Denn trotz aller Begeisterungsstürme ist das eigentliche Ziel der auf zwei Jahre angelegten Mission noch lange nicht erreicht: Spuren von Leben hat Curiosity bislang nicht entdeckt, auch wenn eine erste Erfolgsmeldung Hoffnung macht: Der Rover hat organische Moleküle gefunden. Es muss allerdings zunächst noch aufwendig geklärt werden, ob diese wirklich vom Mars selbst stammen, bevor bei der NASA möglicherweise erneut Jubel ausbrechen kann. [Christina Horsten/fm]
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