Während wir heute bis zum Mars streben, suchte die Raumfahrt vor 50 Jahren noch einen Weg zum Mond. Nach vielen Pannen brachte „Luna 9“ endlich Erlösung – und bereitete so auch den Boden, der ein paar Jahre später die Mondlandung möglich machen sollte.
Nach dem Start explodiert, bei der Landung zerschellt, im Weltraum verschollen: Die Eroberung des Mondes war lange Zeit eine Geschichte von Pannen – bis zu einem Donnerstag vor 50 Jahren. Am 3. Februar 1966 setzt um 19.45 Uhr MEZ erstmals ein von Menschen gebautes Objekt unbeschädigt und funktionsfähig auf dem Erdtrabanten auf. Als die sowjetische Sonde „Luna-9“ wenig später Signale sendet, ist in Moskau der Stolz auf das technische Bravourstück groß. „Der Mond spricht jetzt russisch“, ruft ein Wissenschaftler begeistert. In der Raumfahrt hat eine neue Zeitrechnung begonnen – nur gut drei Jahre später betritt der erste Mensch lunares Neuland.
Zunächst ist der Erd-Nachbar aber vor allem ein Friedhof für Sonden. Rakete um Rakete schießen Amerikaner und Sowjets in einem kosmischen Wettlauf Richtung Orbit. Doch sie detonieren entweder in der Luft, verfehlen den Mond oder zerbrechen bei der zu harten Landung.
Am 31. Januar 1966 hebt dann die insgesamt eineinhalb Tonnen schwere „Luna-9“ vom Weltraumbahnhof Baikonur ab. Drei Tage später bremst der Apparat rund 75 Kilometer über dem Mond ab. Der 99 Kilogramm schwere Landekörper setzt punktgenau im „Ozean der Stürme“ auf. Als sich die Antennen entfalten, steht die 58 Zentimeter große Sonde wie eine exotische Blume in der Kraterlandschaft. 75 Stunden lang sendet das komplizierte Raumgefährt Messwerte, dann ist die Batterie erschöpft.
Vier Monate später landet die US-Sonde „Surveyor-1“ auf dem Mond. Doch trotz vieler Messungen und Fotos und inzwischen sechs bemannter Missionen: „Auch ein halbes Jahrhundert nach der historischen Landung von „Luna-9″ ist uns der Mond fremd geblieben“, sagt der Forscher Iwan Uschakow der Zeitung „Argumenty i Fakty“. „Wir haben das Rätsel seiner Herkunft noch nicht gelöst. Manche Fragen konnten wir zwar klären, aber jede neue Mission wirft weitere Probleme auf.“
Das vielleicht größte Rätsel ist seit der Landung von „Luna-9“ gelöst: wie tragfähig die Oberfläche ist. Lange fürchteten Experten in Washington und Moskau, dass der Mond von haushohen Staubschichten bedeckt sein könnte, in denen Astronauten und Raumfähren versinken. Doch die sowjetische Sonde bleibt auf federnden Teleskop-Beinen stabil stehen und funkt nach kurzer Zeit Fotos von ihrem Landeplatz zur Erde. Obwohl die Bilder nur eine dunkle Steinwüste zeigen, bringen die Aufnahmen die Wissenschaftler zum Schwärmen. „Das sind die sensationellsten Fotos, die wir je hatten“, jubelt etwa Bernard Lovell, damals Chef des britischen Jodrell-Bank-Radioobservatoriums.
Doch der Kreml ist zunächst weniger begeistert. Lovell fischt nämlich mit der Parabolantenne die Signale von „Luna-9“ aus dem Äther und gibt die Bilder vom Mond an die Zeitung „Daily Express“, die die Fotos sofort veröffentlicht – noch vor der sowjetischen Parteizeitung „Prawda“. Dass englische Zeitungsleser die historischen Aufnahmen früher sehen als die von der Landemeldung aufgeregten Russen, schmeckt der kommunistischen Führung gar nicht. Doch als die Bilder um die Welt gehen und Bewunderung auslösen, beruhigt sich der Kreml.
Mehr als 40 Jahre nach der bisher letzten bemannten Mondlandung 1972 ist der Erdtrabant heute wieder stärker in den Fokus gerückt. Schlagzeilen macht vor allem die Idee eines „Dorfes auf dem Mond“, als Forschungsstätte und Zwischenlager für eine bemannte Reise zum Mars. Folgt nach dem Ende der Internationalen Raumstation ISS 2024 eine Internationale Mondstation? Der Traum von der Kolonie im Kosmos beflügelt derzeit die Fantasie der Forscher in Ost und West.
„Viele sind heiß auf den Mond“, fasst Europas Raumfahrtchef Jan Wörner die internationalen Projekte zusammen. Das „Moon Village“ könne ein technologisches Sprungbrett für weitere Missionen sein. „Auf der Mondrückseite haben wir die Möglichkeit, tief ins Universum zu schauen mit einem dort aufgebauten Teleskop“, meint der Deutsche.
Kanadische Experten der University of Western Ontario suchen den rund 400 000 Kilometer entfernten Mond seit Jahren mit Spezialgeräten ab. Ihr Ziel: „Luna-9“. Die Sonde gilt seit ihrer historischen Mission als verschollen und konnte bisher auf keinem Foto der Landeregion ausfindig gemacht werden. Geografie-Professor Philip Stooke hofft, dass einmal eine Aufnahme vom heutigen Zustand des Apparats gelingt. „Luna-9 hat einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung des Alls geleistet. Sie gehört zum Erbe der Menschheit“, betont er. [Wolfgang Jung/fs]
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