Weltraumschrott kann großen Schaden anrichten. Selbst kleine Trümmerteile haben eine enorme Durchschlagskraft. Eine Konferenz der europäischen Raumfahrtagentur Esa berät, wie das Problem gelöst werden kann.
Wenn es im Weltraum kracht, kann das verheerende Folgen haben. Mehrmals im Jahr müsse die Internationale Raumstation ISS wegen Schrotts Ausweichmanöver fliegen, sagt Wolfgang Riede vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart. „Schon ein 1,4 Zentimeter großes Stück kann die ISS gefährden.“ Das Problem: Durchs All schwirren Hunderttausende Trümmerteilchen. Sie sind die Überreste von Satellitenkollisionen, Abschüssen, Explosionen oder außer Kontrolle geratenen Geräten.
Das amerikanische Space-Surveillance-Network (US SSN) ortet 25 000 Objekte mit einer Größe ab fünf Zentimetern. Unter anderem weil auch Wehrtechnik darunter ist, würden nur 16 000 veröffentlicht, sagt Riede. Über Zehntausende kleinere Teilchen wisse man gar nichts. Das US SSN warnt auf Basis seiner Daten regelmäßig vor Zusammenstößen im All. „Die Angaben sind allerdings relativ ungenau“, sagt Riede.
Mit seinem Team arbeitet er von der Schwäbischen Sternwarte in Stuttgart aus an einer genaueren Vermessung der Flugbahnen des Weltraumschrotts. Dafür nutzen die Schwaben die passiv-optische Detektion: Während in den Dämmerungsphasen morgens und abends Sonnenlicht die Objekte vor dunklem Himmel anstrahlt, verfolgt ein Teleskop den Verlauf. Ein Computerprogramm erkennt anhand der Sterne die genaue Position. „Wir haben von Stuttgart aus schon 30 Zentimeter große Objekte gesehen“, sagt Riede.
Noch präziser sollen die Ergebnisse mit Hilfe eines Lasers werden, der die Partikel anstrahlt. Messstationen auf der Erde erfassen zurückgestrahlte Photonen, also Lichtteilchen. Erste Tests waren schon erfolgreich, wie Riede sagt. Das Ziel: Entfernungen sollen mit einer Genauigkeit von etwa einem Meter gemessen, die Flugbahnen in 1000 Kilometern Entfernung auf fünf Meter genau ermittelt werden.
Allerdings haben die Stuttgarter morgens und abends je nur etwa zwei Stunden Zeit, in denen die Lichtverhältnisse passen. Zudem brauchen sie einen wolkenfreien Himmel – anders als zum Beispiel bei Radarmessungen, bei denen das Wetter keine Rolle spielt. So blieben im Schnitt sechs bis acht Beobachtungstage im Monat, sagt Riede.
Und dann muss es schnell gehen: Die Gegenstände, die die Forscher beobachten wollen, rauschen mit einem Tempo von rund acht Kilometern pro Sekunde vorbei und sind dann nur wenige Minuten sichtbar. Für das mehrere Zehntausend Euro teure Spiegelteleskop ist das kein Problem, wie Mitarbeiter Daniel Hampf demonstriert. Gesteuert über einen PC dreht es sich ruckzuck in der geöffneten Schalenkuppel.
Später einmal will das Team den Weltraumschrott sogar mit einem Hochleistungslaser reduzieren. Die Geschwindigkeit müsse mit der Kraft des Lasers so stark verringert werden, dass die angestrahlten Teile in die Erdatmosphäre sinken, wo sie dann verglühen. Solche starken Laser brauchen laut Riede ein eigenes kleines Kraftwerk.
Das klingt zwar nach einem teuren Unterfangen. Allerdings werden die Wiederbeschaffungskosten der rund 1000 aktiven Satelliten nach Angaben der europäischen Weltraumagentur Esa auf knapp 100 Milliarden Euro geschätzt. Ein Verlust sei somit deutlich teurer als die Kosten für etwaige Abhilfemaßnahmen.
Nur gibt es für das Problem Weltraumschrott keine Lösung, bloß ein paar Ideen: So könnten umhertorkelnde Überreste von Weltraummissionen von anderen Satelliten per Greifarm oder mit Netzen aufgesammelt oder Trümmer in erdnahen Bahnen kontrolliert zum Absturz gebracht werden. Welche Ansätze am meisten Erfolg versprechen, sei heute noch nicht zu beantworten, sagt Rodrigo da Costa, Leiter der Abteilung für Zukunftsprojekte und orbitale Systeme beim Satellitenbauer Astrium.
Auf die Frage, ob sich auch die Hersteller zu spät Gedanken über den zurückbleibenden Schrott gemacht haben, antwortet er: „Wir sind erst am Anfang der Raumfahrt.“ Seit 20 Jahren gehe es erst um die tatsächliche Nutzung für Bürger. Jetzt sei „also genau der richtige Zeitpunkt“. Mit Blick auf sein Projekt sagt Riede: „Wir haben die Chance, mit dem Laser eine Vorreiterrolle zu spielen.“
Im Moment sind etwa 1000 funktionsfähige Satelliten im Einsatz. Diese werden nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterschiedlich genutzt. Eine Übersicht über die hauptsächlichen Verwendungszwecke:
– 59 Prozent zur Kommunikation – 9 Prozent zur Erdbeobachtung – 8 Prozent zur Navigation – 7 Prozent zu militärischen Zwecken – 5 Prozent zur Astrophysik – 4 Prozent zur Meteorologie[Joachim Baier]
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