Das All ist kein rechtsfreier Raum. Hier gilt Weltraumrecht. Doch nicht immer reichen die bestehenden Regelungen aus. Ein Überblick über die Rechtslage im All.
Im erdnahen Weltraum ist mächtig was los. Hunderte Satelliten schwirren durchs All – und noch viel mehr Trümmerteile. Wertvolle Rohstoffe auf bestimmten Himmelskörpern wecken Begehrlichkeiten. Und manch ein Staatenlenker würde das All gern militärisch nutzen. Doch wer darf eigentlich was in den unendlichen Weiten? Gilt dort auch rechts vor links? Und wer bringt den Müll raus?
INTERNATIONALE ABKOMMEN
Da der Weltraum zu keinem Hoheitsgebiet eines Staates gehört, sind die Grundlagen des gesamten Weltraumrechts fünf Abkommen der Vereinten Nationen, wie der Leiter des Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht der Universität Köln, Stephan Hobe, erläutert. Das wichtigste dieser Abkommen ist der Weltraumvertrag von 1967. Er regelt zum Beispiel, dass jede Nation freien Zugang zum All hat und kein Land Gebietsansprüche auf andere Himmelskörper erheben darf. Der UN-Weltraumvertrag wurde von mehr als 100 Staaten ratifiziert, in Deutschland gilt er seit 1971. Der Mondvertrag von 1979 hat das Ziel, den Mond und andere Himmelskörper zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären. Er wurde bislang allerdings von nicht einmal 20 Staaten ratifiziert, auch wegen möglicher wirtschaftlicher Interessen am Rohstoffabbau im All.
ROHSTOFFE
Viele Himmelskörper bieten verlockende Rohstoffvorkommen, beispielsweise seltene Metalle. Um sich wirtschaftliche Interessen zu sichern, haben die USA und Luxemburg Gesetze erlassen, die Unternehmen, die so einen Weltraumbergbau wagen wollen, das Eigentum an derart gewonnenen Rohstoffen zusprechen. Das ist nach Auffassung von Hobe „schlicht und ergreifend rechtswidrig“. „Sie können nur Gesetze über etwas erlassen, über das Sie verfügen“, erläutert der Jurist. Und andere Himmelskörper können gemäß des Weltraumvertrags nicht unter die Hoheit eines Nationalstaats fallen.
MÜLL
Bislang verpflichtet kein Abkommen die Raumfahrtnationen zur Müllvermeidung oder gar -entsorgung. Das Bewusstsein für das Müllproblem ist zwar in den vergangenen Jahren gewachsen. So hat etwa die Esa technische Richtlinien entwickelt, deren Einhaltung von den jeweiligen Staaten zur Bedingung für eine Startlizenz gemacht werden kann. Auf einem Esa-Workshop beschäftigten sich in Darmstadt gerade (bis 21.3.) Juristen, Ingenieure und Wirtschaftsvertreter mit Regelungen zum Weltraumschrott. Aber: „Momentan ist niemand für den Müll im Orbit verantwortlich“, sagt Hobe. Eine rechtliche Regelung sei eine große Herausforderung, weil sie versuchen müsse, nachträglich Verantwortung für bislang erlaubtes Handeln zu definieren. Immerhin haben sich nach Esa-Angaben die Raumfahrtinstitutionen – rechtlich unverbindlich – darauf geeinigt, besonders wichtige Umlaufbahnen von Müll frei zu halten
VERKEHRSREGELN
Wer muss ausweichen, wenn zwei Raumfahrzeuge auf Kollisionskurs sind? Vorfahrts- oder andere Verkehrsregeln gibt es im All bislang nicht, erläutert der Leiter des Esa-Büros für Raumfahrtrückstände, Holger Krag, Co-Organisator des Esa-Workshops. „Im Betrieb hat sich ein gesunder Pragmatismus entwickelt“, sagt der Experte. Rund 95 Prozent der potenziell gefährlichen Begegnungen spielen sich demnach ohnehin mit inaktiven Objekten wie Trümmerteilen oder abgeschalteten oder antriebsfreien Satelliten ab, so dass sich die Vorfahrtsfrage nicht stellt. In den restlichen Fällen stimmen sich die Betreiber der jeweiligen Satelliten untereinander ab. Im Schnitt muss ein aktiver Satellit etwa einmal im Jahr ausweichen, berichtet Krag.
HAFTUNG
Die UN-Abkommen verpflichten Staaten zur Haftung für Schäden, die durch ihre Raumfahrtaktivitäten entstehen. Dabei lassen sich zwei Fälle unterscheiden, wie Esa-Weltraumrechtsexperte Alexander Soucek, der den Workshop in Darmstadt mitorganisiert hat, erklärt: „Bei Schäden im All, etwa dem Zusammenstoß zweier Satelliten, gilt die sogenannte Verschuldenshaftung.“ Ein Staat muss also nur dann für den Schaden haften, wenn ihm eine Schuld an dem Crash nachgewiesen werden kann. „Für Schäden auf der Erde, etwa durch den Absturz eines nicht vollständig verglühten Satelliten, gilt dagegen die Gefährdungshaftung“, sagt der Weltraumrechtsexperte. Das heißt, der Staat, aus dem der abgestürzte Satellit stammt, muss auf jeden Fall für den Schaden einstehen, weil er bereits mit dem Start eine allgemeine Gefährdung erzeugt hat.
RÜSTUNG
Der Weltraum ist durch die UN-Abkommen weitgehend demilitarisiert. Das heißt, es dürfen im Orbit und auf anderen Himmelskörpern keine Waffen stationiert werden. Trotzdem wächst die Sorge vor einem Wettrüsten. So treibt die US-Regierung ihre Pläne zur Schaffung von eigenen Streitkräften im Weltall voran. Die bestehenden Regelungen gelten mittlerweile als nicht mehr zeitgemäß. Russland und China haben der UN-Abrüstungskonferenz in Genf 2014 einen Vertragsentwurf vorgelegt, der bestimmte Waffen verbieten soll. Aber weil die Entwicklung von Waffen so rasant vorangeht, glauben viele, dass das nicht reicht – auch weil harmlose Satelliten bei böser Absicht zu Waffen werden können.
FORSCHUNG
Zu friedlichen Zwecken darf jede Nation Stationen im Orbit und auf anderen Himmelskörpern errichten. Dabei gilt das Prinzip der gegenseitigen Öffnung: Kein Staat darf seine Station komplett von anderen Staaten abschotten.
GERICHT
Wie können Staaten und Unternehmen ihre Rechte durchsetzen? Ein Weltraumgericht gibt es nicht. Staaten könnten bei Verstößen gegen die UN-Weltraumabkommen den Internationalen Gerichtshof in Den Haag anrufen, erläutert Esa-Experte Soucek. Firmen oder Privatpersonen könnten unter Umständen vor nationalen Zivilgerichten Ansprüche gegen Dritte einklagen – vorausgesetzt, es existiert eine den Streitfall betreffende gesetzliche Regelung. [Till Mundzeck]
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