Wiederholt haben Asteroiden die Erde getroffen – teils mit verheerenden Folgen. Nun halten Forscher gezielt nach den Objekten Ausschau. Doch wie kann man die Erde vor den kosmischen Geschossen schützen?
Die Gefahr lauert in der Finsternis. Ein massiver Gesteinsbrocken rast durch das Sonnensystem auf die Erde zu – auf Kollisionskurs. Ein Einschlag könnte – je nach Größe – Landstriche oder Kontinente verwüsten. Wie jener Asteroid, der vor etwa 65 Millionen Jahren das Aussterben der Dinosaurier verursacht haben soll. Was im US-Kinohit „Armageddon“ und anderen Katastrophenfilmen wie Zukunftsmusik anmutet ist mehr als bloße Science-Fiction.
„Wir haben eine Liste von knapp 870 Objekten, die eine Möglichkeit haben, die Erde zu treffen in den nächsten hundert Jahren“, sagt der Leiter des Büros für Planetenschutz im Satellitenkontrollzentrum der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, Rüdiger Jehn. An den Wänden seines Darmstädter Kontrollzentrums zeigen Monitore Flugbahnen von Asteroiden und – je nach potenzieller Gefahr – auch jener Brocken, die möglicherweise die Erde treffen könnten.
Feuer am Himmel und eine immense Druckwelle: In die Atmosphäre eintauchende und explodierende Himmelskörper können schon mit einem Durchmesser von 20 Metern massive Zerstörung verursachen. „Die Druckwellen werden mit den gleichen Sensoren ermittelt wie bei Atomwaffentests“, sagt der Chef des von Darmstadt aus operierenden Esa-Büros für Planetenschutz, Holger Karg. Da werde ein Vielfaches an Energie einer Hiroshima-Bombe frei.
Vor sechs Jahren richtete die Explosion eines Asteroiden dieser Größe in der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk Verwüstungen an. Mit einem ohrenbetäubendem Knall raste eine Druckwelle über das Land. Die Explosion des 16 000-Tonnen-Brockens verletzte am 15. Februar 2013 etwa 1500 Menschen – meist durch geborstene Scheiben. An Tausenden Gebäuden entstanden Schäden. Eine Vorwarnung gab es damals nicht. „Die sieht man relativ spät“, sagt Jehn. „Die Chance, dass man die Jahre vorher sieht, ist relativ gering.“
Gut 100 Jahre zuvor hatte es schon einmal Russland getroffen. In der einsamen Tunguska-Region in Sibirien gab es einen Feuerball und dann die Explosion eines 40-Meter-Asteroiden. Die Naturkatastrophe am 30. Juni 1908 fegte Millionen Bäume auf einer Fläche fast so groß wie das Saarland weg. Aufgrund dieses Ereignisses riefen die Vereinten Nationen 2016 den 30. Juni zum Internationalen Asteroidentag aus.
Als Asteroiden bezeichnen Weltraumexperten astronomische Kleinkörper mit einem Durchmesser ab einem Meter, die die Sonne umrunden. Und die gibt es reichlich. „Ein-Meter-Objekte treffen uns regelmäßig, das kommt mehrfach im Jahr vor“, sagt Jehn. Bei den Objekten bis 100 Meter Durchmesser gehen Schätzungen von rund 40 000 Brocken aus, von denen nach Esa-Angaben erst rund 20 Prozent entdeckt wurden. Bei geschätzten rund 1000 Asteroiden ab einer Größe von einem Kilometer ist den Weltraumforschern weniger bange beim Aufspüren. „Da haben wir eigentlich schon 95 Prozent entdeckt“, betont Jehn. Im Moment drohe da kein Crash-Szenario.
Der mehr als 300 Meter große Asteroid „Apophis“ – benannt nach dem ägyptischen Gott für Finsternis und Chaos – galt ursprünglich als Gefahr für die Erde. Doch er soll Berechnungen zufolge am 13. April 2029 so nah an der Erde vorbeifliegen, dass man ihn mit bloßem Auge sehen kann.
Bei „2006QV89“ sind sich die Wissenschaftler noch nicht sicher. Der 40 Meter große Brocken könnte im September die Erde treffen. Die Chance für eine Kollision liegt laut Risikoliste der Esa bei 1 zu 7299. Zum Vergleich: Für einen Lottogewinn mit sechs Richtigen plus Zusatzzahl liegt die Chance bei 1 zu 140 Millionen. „Wir wissen nicht genau, wo auf seiner Bahn er ist“, sagt Jehn. Ein Ausschlussverfahren soll Sicherheit bringen: Die Experten haben auf der Bahn des Himmelskörpers zur Erde einen Punkt berechnet und wollen den nun im Juli von Chile aus mit einem Teleskop beobachten. Sehen sie nichts, besteht keine Gefahr. Taucht der Asteroid aber an besagtem Punkt auf, ist er auf Kollisionskurs.
„Es ist unsere Aufgabe, die Menschen zu schützen“, sagt Jehn. Um den Himmel besser scannen zu können, will die Esa in naher Zukunft spezielle Teleskope auf Sizilien und später in Chile aufbauen. Kosten: 20 Millionen Euro pro Stück. „Bei einem Objekt von 20 Metern Größe können wir dann eine Woche oder zehn Tage vorher vorwarnen.“
Aber die Weltraumexperten sollen nicht nur warnen, sondern auch schützen. Dabei setzen sie für die größeren Brocken auf den sogenannten kinetischen Impakt: Objekte mit großer Masse und höchstmöglicher Geschwindigkeit sollen den Asteroiden rammen und vom Kurs abbringen. Auch Raketen sind eine Option. So will die US-Raumfahrtbehörde Nasa laut Jehn 2022 eine Rakete auf einen Asteroiden schießen und prüfen, wie stark er durch den Einschlag abgelenkt wird. Atomsprengköpfe seien bei der Esa nicht geplant, sagt Jehn, dies könne aber für die Amerikaner durchaus eine Option sein.
„Irgendwo in den Weiten des Sonnensystems gibt es Kleinplaneten, die früher oder später mit der Erde kollidieren werden“, sagt Sven Melchert von der Vereinigung der Sternfreunde im südhessischen Heppenheim. Das Problem seien nicht die kleinen Asteroiden, sondern globale Killer. Ob diese dann wie im Film „Armaggedon“ abgewehrt werden könnten, stehe sprichwörtlich in den Sternen. [Oliver Pietschmann]
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