Der Mars ist trotz aller Forschungen immer noch ein unbekanntes Wesen. Mit einem gemeinsamen Projekt wollen die Raumfahrtagenturen Esa uns Roskosmos den Roten Planeten nun tiefer erforschen.
Die bisher ehrgeizigste Mission der europäischen Raumfahrt verschwindet nach 29 Sekunden in einer dichten Wolkendecke über Kasachstan. Nur das Dröhnen der Triebwerke der russischen Proton-M-Rakete ist noch zu hören. Wenige Minuten nach dem Start vom weltgrößten Kosmodrom in Baikonur erreicht die Rakete mit ihrer High-Tech-Ladung den vorgesehenen Kurs. Nächster Halt ist im Oktober der Mars – falls alles gut geht.
Die Mission ExoMars der europäischen Raumfahrtagentur Esa und ihres russischen Partners Roskosmos ist höchst ambitioniert. Die Proton-M soll zunächst den 3,5 Meter großen und 4,4 Tonnen schweren Satelliten „TGO“ (Trace Gas Orbiter) in die Umlaufbahn des Roten Planeten bringen. Gelingt das, setzt der Wissenschaftssatellit die schalenförmige Landesonde „Schiaparelli“ aus.
Es ist ein heikles Unterfangen: Weil der Mars-Atmosphärendruck schwankt, ist die Landung per Fallschirm schwer zu berechnen – ein Grund für das Scheitern vieler Missionen. Die 600 Kilogramm schwere Sonde „Schiaparelli“ hat nur eine Aufgabe: Informationen über eine sichere Landung zu sammeln. Die Batterien reichen nur wenige Tage.
„Mit ExoMars beginnt eine neue Ära der Marsforschung“, meint der deutsche Raumfahrer Alexander Gerst. Es spreche viel dafür, dass auf dem öden Planeten einmal ähnliche Bedingungen herrschten wie heute auf der Erde, hatte Gerst schon früher einmal gesagt. „Wie kam es zu dieser Wüste? Droht das der Erde? Auch deswegen sollten wir den Mars erforschen“, meint der 39-Jährige.
ExoMars soll auf dem Roten Planeten nach Spuren von Leben suchen. Dabei geht es ganz am Rande auch um die Frage, ob sich eines Tages dort Menschen ansiedeln könnten. Denn die Gefahr sei real, dass die Erde sich in ferner Zukunft zu einem unwirtlichen Ort entwickelt, warnen Experten. Langfristig müsse die Weltraumforschung einen Weg finden, um andere Planeten zu kolonisieren, meinen auch russische Medien. „Roskosmos und Esa bereiten mit ExoMars die Flucht der Menschheit von der Erde vor – während Europa über Flüchtlinge streitet“, schrieb etwa die Moskauer Zeitung „Kommersant“ unlängst.
Dass ExoMars nach mehr als zehn Jahren Vorbereitung nun in die heiße Phase geht, bereitet Europas Raumfahrtchef Jan Wörner beste Laune. „Die Stimmung ist gut“, sagt er in Baikonur. Auf TV-Bildern ist zu sehen, wie Wörner mit seinem Roskosmos-Kollegen Igor Komarow spricht. Den Raketenstart nutzen beide Seiten auch für einen demonstrativen Schulterschluss in der größten Ost-West-Krise seit dem Kalten Krieg.
„Die Kooperation zeigt: Auch wenn es politisch eng wird, haben wir Themen der Zusammenarbeit“, sagt der 61-jährige Hesse der Deutschen Presse-Agentur. Es habe immer wieder schwierige Situationen gegeben, früher sei das der Kalte Krieg gewesen, nun die Ukraine-Krise. Die Raumfahrt könne in solchen Fällen viel zur Verständigung leisten, meint er. „Ich finde es schön, wenn Astronauten erzählen, dass sie aus dem All die Grenzen auf der Erde nicht sehen können.“
Ob die Kooperation auch in Zukunft gesichert ist? Die Rohstoffmacht Russland steckt in einer immensen Wirtschaftskrise. Auch das Raumfahrtbudget dürfte von Kürzungen bedroht sein. Wörner sieht die Zusammenarbeit aber nicht in Gefahr. „Die Russen sind uns gegenüber immer sehr zuverlässig gewesen und haben Versprechen eingehalten.“
Wörner lobt den regen Austausch mit den russischen Partnern, spricht von einem Vertrauensverhältnis. Auch in Baikonur setzen sich beide Seiten zusammen und beraten, wie die Kooperation weitergehen soll. Einen bemannten Flug zum Mars – anknüpfend an ExoMars – schließt Wörner vorerst aus. „Im Moment gibt es keinen konkreten Plan der Esa dafür und auch keine Überlegung“, sagt er. „Technisch wäre das eine zu große Herausforderung, die wir im Moment nicht eingehen können.“
Gelingt der erste Teil von ExoMars, schicken Esa und Roskosmos in der zweiten Phase wohl 2018 ein technikbeladenes Landemodul mit einem Mars-Fahrzeug auf die mehr als 500 Millionen Kilometer lange Reise. Damit der Rover problemlos durch den roten Sand rollt, seien wohl russische Räder am besten, meint der Radio-Sender „Echo Moskwy“ halb im Scherz: „Mit schlechten Verkehrswegen haben wir Erfahrung.“ [Thomas Körbel/Wolfgang Jung/buhl]
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