Es war ein riskantes Manöver. Doch der souveräne Erfolg des ersten chinesischen Rendezvous‘ im All demonstriert die großen Fortschritte der Chinesen im Weltraum. Eine wichtige Hürde für ihre ehrgeizigen Pläne zum Bau einer Raumstation ist genommen.
„Andocken ist eine grundlegende Fähigkeit, die für viele andere Vorhaben wichtig ist – sei es der Bau eines großen Raumlabors oder einer Raumstation“, sagte Dean Cheng, China- und Raumfahrtexperte der US-Denkfabrik Heritage Foundation, der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Auch ein Mondflug erfordere mehrfache Andockmanöver.
Es war ein riskantes Vorhaben, das für das Milliardenvolk gut eine Stunden nach Mitternacht live im Fernsehen übertragen wurde. Während Shenzhou 8 (Magisches Schiff) und Tiangong 1 (Himmelspalast) langsam aufeinander zuflogen, übertrugen Kameras jeden Moment aus dem All. Als der Kopplungsmechanismus endlich zuschnappte, schien der als „historisch“ gefeierte Augenblick völlig unspektakulär – als wenn das Manöver schon dutzendmal vollführt worden wäre.
In Wirklichkeit schienen alle im Kontrollzentrum in Peking, darunter auch Regierungschef Wen Jiabao und Vizepräsident Xi Jinping, den Atem anzuhalten. Als auch die Schleuse wenig später sicher versiegelt war, brandete Beifall auf. „Alles, was im All passiert, ist sowohl gefährlich, weil das Umfeld unwirtlich ist, als auch schwierig, wegen der Schwerelosigkeit und der Umweltbedingungen“, sagte US-Experte Cheng. „Nichts im All ist einfach“.
Mit dem Manöver demonstriert China seine Fortschritte in der technologischen Aufholjagd zu den anderen großen Raumfahrtnationen. Es demonstriere die Qualität der Steuerdüsen, der Sensoren oder der Software der Bodenkontrolle, meinte Cheng. „Die Chinesen haben es das erste Mal gemacht und, soweit wir wissen, allein auf der Grundlage ihrer eigenen Technologie und Entwicklungsprozesse“.
„Das ist nicht einfach“, sagte ähnlich der Astrophysiker der Universität Hongkong, Sun Kwok, der dpa. „Es erfordert Koordination in verschiedenen technischen Bereichen wie Kommunikation, Kontrolle, Roboter- und Raketentechnik“. Der Chefdesigner des chinesischen Raumfahrtprogramms, Zhou Jianping, sagte nach dem Rendezvous um 1.37 Uhr Ortszeit, sein Land besitze jetzt die grundlegenden Technologien und Fähigkeiten für den Bau einer Raumstation, die um 2020 fertiggestellt werden soll. „Das ermöglicht es China, die Erforschung des Weltraums im großen Stil aufzunehmen“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Xinhua.
„China bewegt sich auf der technologischen Lernkurve beständig nach oben“, meinte die Raumfahrtexpertin Joan Johnson-Freese vom US Naval War College. „Der Erfolg bringt China dem Ziel, eine große Raumstation zu bauen, einen Schritt näher“. Allerdings werde die geplante Raumstation noch etwas kleiner als das US-Labor Skylab von 1973 mit 80 Tonnen sein und könne sich von der Größe her erst recht nicht mit der Internationalen Raumstation ISS messen.
Auch müsse China noch erfolgreich seine neuen, leistungsstärkeren Raketen vom Typ „Langer Marsch“ testen, die gegenwärtig entwickelt werden. Nach Einschätzung der US-Expertin hinkt die Entwicklung der neuen Raketen gegenwärtig hinter dem Zeitplan her. [Andreas Landwehr]
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