Sie waren der ganze Stolz der Nasa und Ikonen für Raumfahrtfans in aller Welt. Doch nun müssen die berühmten Space Shuttle für immer am Boden bleiben. Auf den Abschiedsflug der „Atlantis“ folgt vor allem eines: Ein Vakuum in der amerikanischen Raumfahrt. Was nun?
Es war exakt 5.57 Uhr und 54 Sekunden Ortszeit, als in Florida ein bedeutendes Kapitel der Raumfahrtgeschichte endete. Gerade war in der langsam schwindenden Dunkelheit der Nacht ein Raumschiff mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit auf die Erde zugesteuert und nach einer mustergültigen Landung im Weltraumbahnhof Cape Canaveral zum ewigen Stillstand gekommen.
Was fast aussah wie die alltägliche Ankunft eines Flugzeuges – oder vielmehr eines übergewichtigen Düsenjets mit Stummelflügeln – war der Schlusspunkt einer 30-jährigen Ära. Es war der Abschied von einer der größten Errungenschaften der Menschheit und vorerst auch von der bemannten Raumfahrt in den USA.
Nach 13 Tagen im Weltall bricht das Space Shuttle „Atlantis“ wie seine Schwesterschiffe „Endeavour“ und „Discovery“ nur noch zu einer Reise auf: per Transporter ins Museum. Die Raumfahrtbehörde Nasa hat endgültig den Schlussstrich gezogen unter ein Programm, von dem sie sich bis zuletzt nicht so recht trennen wollte, weil es ihr ganzer Stolz war.
„Nachdem es die Fantasie einer ganzen Generation befeuert hat, ist sein Platz in der Geschichte sicher. Seine Reise ist zu Ende“, gab der legendäre Nasa-Kommentator Rob Navias aus der Bodenkontrolle im texanischen Houston sentimental zu Protokoll. Am Tag ihres Heimfluges wurden die vier Astronauten an Bord – die „Final Four“ – mit dem wohl patriotischsten aller Lieder geweckt: „God Bless America“ (Gott segne Amerika).Überteuerter Lastesel: Politik zieht den Stecker
Nach einem halben Jahrhundert der Vormachtstellung im All fürchten vor allem nationalbewusste US-Bürger, ihre Astronauten nie wieder mit eigenen Raumschiffen ins All schicken zu können. Doch die Politik sah sich gezwungen, den Stecker zu ziehen. Die Raumfahrt verkam zum Transportgeschäft, der unsichere Shuttle zum überteuerten Lastesel für die Internationale Raumstation ISS – eine Milliarde Dollar kostete ein Flug (700 Mio. Euro).
Es sei Zeit, „die Grenzen der Erkundungen und Entdeckungen immer wieder neu zu ziehen“, forderte US-Präsident Barack Obama anlässlich der Abschiedsmission. Er wolle noch erleben, wie die Nasa Amerikaner zum Mars bringe. Doch ob Washington angesichts der Schuldenprobleme überhaupt jemals das nötige Geld aufbringen kann, ist fraglich.
Um künftig noch ins All gelangen zu können, müssen die Amerikaner 60 Millionen Dollar pro Sitzplatz in „Sojus“-Kapseln nach Russland überweisen. Auch die Europäer und Japaner nehmen Material aus den USA in ihren kleinen, unbemannten Vehikeln mit zur ISS. Sechs private US-Unternehmen wollen die Lücke aber schnell füllen – und nutzen die letzte Aufmerksamkeit für das Shuttle, um für sich zu werben.
„Wir sind am Anfang einer neuen Ära“, sagte Elon Musk, dessen Firma SpaceX noch in diesem Jahr seine umbenannte „Dragon“-Kapsel mit Proviant, Wasser und Kleidung zur ISS schießen will. „Mit Hilfe der Nasa wird SpaceX seine erste bemannte Mission 2014 fliegen“, kündigt der 40-jährige Jungunternehmer selbstbewusst an. Mit Gründungen wie dem Internet-Bezahldienst Paypal scheffelte er Vermögen, und auch im Raumfahrtgeschäft sieht er für sich eine goldene Zukunft.Marslandung kein Problem für die „Dragon“
Auch eine Landung auf dem Mars sei kein Problem für die „Dragon“, verspricht Musk. Doch manch Experte wundert sich, warum ausgerechnet der Rote Planet oder auch ein Asteroid als Ziele ausgegeben werden. Weite Flüge seien schon wegen der schädlichen Radioaktivität im All derzeit kaum denkbar, sagt Scott Pace vom Raumfahrtinstitut der George Washington University. „Und kein Asteroid, den man in sechs Monaten erreichen kann, ist die Reise wert.“
Die Rückkehr zum Mond wäre sinnvoller, um das Leben der Menschen im All studieren zu können. Alle weiteren Ziele seien auch für andere Staaten außer Russland unerreichbar. „Wenn man den Mond missachtet, unterhöhlt man Möglichkeiten für internationale Kooperation, vor allem mit den Asiaten“, warnt Pace.
Doch wie sich die Pläne auch entwickeln: Das Zeitalter der wiederverwendbaren Fähren für Astronauten mit einem riesigen Stauraum ist wohl endgültig vorbei. „Ich glaube, wir werden so eine Art Raumfahrt nie wieder sehen“, sagt die Kuratorin des Air-and-Space-Museums in Washington, Valerie Neal. „Es war ein erstaunliches Raumschiff und eine Ära erstaunlicher Erfolge ist zu Ende.“[Marco Mierke]
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