Musik-Streaming aus dem Internet erfreut sich immer größer werdender Beliebtheit und entwickelt sich vom Nischenprodukt zur massenkompatiblen Musiklösung. Neue Anbieter wie Spotify wollen den Markt erobern und der Konkurrenzkampf soll zulegen. Für den Kunden bedeutet das geringere Preise.
Musik kann man nicht besitzen, nur hören. Nach diesem Prinzip funktioniert Streaming, das Übertragen digitaler Musik aus dem Internet, ohne dass diese dauerhaft gespeichert wird. Lange Zeit nur etwas für eine interessierte Minderheit, drängt Streaming jetzt in den Massenmarkt. Die Marktteilnehmer erwarten kräftige Zuwachsraten bei Nutzerzahlen und Umsatz – und mit dem schwedischen Unternehmen Spotify einen neuen großen Anbieter.
„Wir sind sehr begeistert, dass es mit dem Streaming in Deutschland endlich losgeht“, sagt Fiede Schillmöller vom kalifornischen Musikgerätehersteller Sonos. „Im europäischen Vergleich lag Deutschland bisher noch etwas zurück“. Das lag vor allem daran, dass über Jahre hinweg unklar war, wie das Streaming urheberrechtlich zu bewerten ist.
Für Klarheit sorgte im Dezember 2011 ein neuer Gesamtvertrag der Verwertungsgesellschaft Gema mit dem IT-Branchenverband Bitkom, der erstmals auch die Lizenzierung von Urheberrechten für Streaming-Dienste regelte: Pro Nutzer und Monat wird ein fester Betrag fällig. Bei werbefinanzierten Plattformen soll ein bestimmter Prozentsatz der Werbeeinnahmen an die Gema überwiesen werden – hier dauern die Gespräche mit dem Bitkom aber noch an. „Die neuen Tarife haben wie ein Dosenöffner gewirkt“, sagt ein Gema-Sprecher. „Seitdem bekommen wir ständig neue Anfragen von Streaming-Diensten, die auf den deutschen Markt wollen“.
Es sei gut, dass es damit rechtliche Klarheit und einheitliche Bedingungen für alle gebe, sagt der Napster-Geschäftsführer in Deutschland, Thorsten Schlieche. „Noch nicht so glücklich sind wir mit der Höhe der Lizenzgebühren“. Wenn aber der Markt jetzt breiter werde und sich das Streaming durchsetze, werde es bei der Gema sicherlich die Bereitschaft geben, auch darüber zu sprechen. Allerdings hat der Vertrag erst einmal eine Laufzeit von zwei Jahren.
Beim Streaming gibt es im Wesentlichen zwei unterschiedliche Modelle: Radioähnliche Dienste, die für verschiedene Musikgattungen Programme zusammenstellen, und On-Demand-Dienste, bei denen man den gewünschten Titel oder ein bestimmtes Album selbst wählen kann. Das eine sei das Radio, das andere der Plattenladen der Zukunft, erklärt Holger Weiss, Vorstandschef beim Streaming-Dienst Aupeo. Dort kann man ein Genre wählen wie Hip-Hop oder Klassik und hört dann in das laufende Programm hinein. Die Titel werden von einer Redaktion ausgewählt, der Hörer kann diese bewerten und damit Einfluss nehmen auf die Programmauswahl. Auch ist es möglich, bei Nichtgefallen zum nächsten Song zu springen.
Nach dem On-Demand-Prinzip funktionieren Anbieter wie Napster, Simfy und der demnächst erwartete Spotify-Dienst. Fragen zum Deutschland-Start beantwortet das schwedische Unternehmen zurzeit nicht. Dem Vernehmen nach wird aber bereits emsig an Apps für mobile Geräte entwickelt – auch bei Drittanbietern, die den Spotify-Dienst bei sich einbinden wollen.
Aupeo-Chef Weiss erwartet, dass es nach dem Einstieg von Spotify bei den On-Demand-Diensten einen harten Preiskampf geben wird. „Das ist dann nicht profitabel auf Dauer, so dass ein Verdrängungswettbewerb zu erwarten ist. Für den Nutzer wird das ein unglaublich spannendes Jahr werden“. Zurzeit gibt es die Musik-Flatrate bei Simfy oder beim Newcomer Rdio für 4,99 Euro im Monat. „Die Streaming-Dienste bieten der Musikindustrie einen idealen Ausweg aus der Misere“, sagt Aupeo-Chef Weiss. Diese habe es lange verpasst, sich mit neuen Angeboten auf das durch die Digitalisierung veränderte Nutzerverhalten einzustellen.
Beim Bundesverband Musikindustrie (BVMI) bezeichnet Andreas Leisdon das Streaming als „eine ganz wichtige und spannende Facette des digitalen Musikvertriebs“. Inzwischen gebe es hier eine sehr große Vielfalt. „Die Streaming-Angebote bieten vor allem auch denen, die bisher Musik illegal kopiert haben, eine gute Möglichkeit, um Musik im Internet auf attraktive Weise und legal hören zu können“.
Immer neue Angebote treten auf, meist zuerst auf dem Smartphone und für die Nutzung über ein Web-Portal, dann aber auch für daheim wie mit den drahtlosen Lautsprecherboxen von Sonos, Sonoro, Philips, Logitec oder anderen Herstellern. Die Streaming-Musik soll auch das Fahrzeug erobern: Aupeo hat hier mehrere Partnerschaften mit Autoherstellern, eben erst kam eine Vereinbarung mit Mercedes-Benz hinzu.
Erst in dieser Woche ist der Musikdienst Wahwah FM gestartet. Hier wird das Streaming mit den Trend zu ortsbezogenen Anwendungen und Sozialen Netzwerken verbunden. Zuerst in Deutschland, später auch in den USA und anderen Ländern können iPhone-Nutzer ihre eigene Musiksammlung auf dem Handy an andere Nutzer des Dienstes in ihrer Umgebung streamen. „Wir machen es so möglich, dass jeder einen lebendigen, atmenden Radiosender einrichten kann“, sagt der Gründer Philipp Eibach.
Aber auch künftig wird es Musikliebhaber geben, die ihre CDs oder Vinylplatten im Regal sehen wollen. „Der Wunsch nach Besitz ist aber deutlich zurückgegangen, weil die Musik immer verfügbar ist“, erklärt Napster-Chef Schlieche. Sonos-Manager Schillmöller ergänzt: „Bei Musik ging es nie um Besitz, sondern immer um das Erlebnis“. Es sei auch eine Art von Befreiung, wenn man sich nicht mehr um ständig neue Datenträger kümmern müsse – erst die Schallplatte, dann Kasette, CD, DVD und Blu-Ray bis hin zum Download auf die eigene Festplatte. „Jetzt ist einfach alles da. Es ist alles Musik“. [Peter Zschunke/rh]